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Kultur: Ordnung und Verbrechen

Armin Petras inszeniert Dürrenmatt im Gorki

War Friedrich Dürrenmatt ein guter Ideen-Verkäufer? 1957 schrieb er eine Filmerzählung, die zur Grundlage des zusammen mit Erich Holliger gedrehten Krimis „Es geschah am helllichten Tag“ wurde. Heinz Rühmann, Gert Fröbe und Siegfried Lowitz waren mit von der Partie. Im Jahr darauf machte er daraus den Roman: „Das Versprechen“. In beiden Arbeiten geht es um einen Polizisten, den in seine Arbeit verbissenen „Kommissär“ Matthäi. Im Film findet und überführt der Kriminalist den mädchenmordenden Serienverbrecher. Im Roman scheitert er.

Doch merkwürdig – während Dürrenmatt diesen resignativen Schluss theoretisch aufwendig begründete, ließ er dem Film das konventionelle, biedere Ende mit sanftem Widerstand durchgehen. In einem Interview im April 1958 hatte der Dichter festgestellt: „Mir ging es eigentlich darum zu zeigen, dass diese Welt zu konfus ist, um mit detektivischem Denken in ein System gebracht zu werden. Die meisten Kriminalromane leiden an der Fiktion, dass die komplexe Wirklichkeit im Denken des Detektivs völlig aufgehen kann.“

„Das Versprechen“ gibt es nun auch in einer Version fürs Theater. Armin Petras hat sie geschrieben und am Hamburger Thalia Theater inszeniert – jetzt ist sie in seinem eigenen Haus, am Berliner Maxim Gorki Theater zu sehen. Konfuse Welt, komplexe Wirklichkeit: Stichworte, die Petras nur zu gern aufnimmt. Mehr noch, er wirft die gepflegte und gemächlich schweizerische Großbürgerlichkeit der Erzählung unbekümmert in den Papierkorb. Gespenstisches ist angesagt vor einer aufsteigenden Wand, die Wald und Landschaft verbirgt und sich wie in ewigem Winter rieselndem Schnee hingibt (Bühne und Kostüme: Susanne Schuboth). Die Spieler sind außer Rand und Band, sie agieren wie im Comic, aufgedreht und verkleidungsgeil, treiben kinderfröhlichen, bitterbösen Unfug und kippen in bedrohliche Grausamkeit ab – es wird geschossen, es fließt Blut, jede Bosheit ist zugelassen. Dazwischen große, ernste, poetisch anrührende Szenen, mit dem Sehnsuchtsbild eines fliegenden roten Luftballons, auch mit raren Momenten vielleicht doch möglicher Zuneigung unter entwurzelten Menschen.

Konfuse Welt – Petras legt ihre Verrücktheiten bloß, treibt sie hoch bis ins Groteske und verführerisch Komische. Der Kommissar, hier heißt er Gerd Schwarz, wird zur tragischen Figur. Er scheitert als einer, der ordnen will und nicht begreift, dass keine Ordnung sein kann.

Peter Kurth spielt diesen ragend Einsamen mit einer stoischen Ruhe. Nur im Gesicht wird ablesbar, wie der emotional verschlossene, ja beinahe verschüchterte Polizist begreifen und durchdringen will, was um ihn herum und durch ihn geschieht – und wie er scheitert. Das ist mit einer geradezu schmerzhaften Spannung geladen. Dagegen setzt Fritzi Haberlandt, wenn sie sich von der erwachsenen Erzählerin in das dem Mörder ausgesetzte Kind verwandelt, ruhelose Aufgedrehtheit. Ein halbwüchsiges Mädchen fantasiert sich Leben zurecht, überspielt Angst und Lieblosigkeit, flüchtet in ekstatische Tollerei, holt in den Körper mit den geradezu fliegenden Armen und Beinen, was an Erlebnis und Abenteuer nur zu haben ist. Hier kulminiert das hohe Tempo der Aufführung, die wie immer bei Petras Geschlossenheit meidet und mit Neugier, Spürsinn und Ironie Fragmente auf die Bühne wirft.

Wieder am 29. Oktober sowie 22. und 25. November.

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