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„Shape of Water“ mit Sally Hawkins war für 13 Oscars nominiert.

© F. Monteforte/AFP

Oscars 2018: Solidarische Gesten werden nach "MeToo" nicht reichen

Am Sonntag werden die 90. Oscars verliehen. Das Ereignis steht im Zeichen von Missbrauchsvorwürfen und männlicher Dominanz. Ein Wandel ist bereits zu erkennen.

Von Andreas Busche

Selten wurde einer Oscar-Verleihung so entgegen gefiebert wie in diesem Jahr. Selbst wer sich nur am Rande für den Glamour-Betrieb Hollywoods interessiert, weiß um die gesellschaftliche Tragweite des wichtigsten Branchentreffens, das am Sonntagabend im Dolby Theatre in Los Angeles stattfindet und weltweit von 800 Millionen Menschen gesehen wird.

Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, deren 6687 Mitglieder die Oscars vergeben, steht vor einer wahrlich undankbaren Aufgabe: In diesem Jahr werden die Preise zum 90. Mal vergeben, ein rundes Jubiläum, das von den Enthüllungen um Harvey Weinstein und der Welle von Missbrauchsvorwürfen in der Filmbranche überschattet wird. Erstmals seit 1990 befindet sich keine Weinstein-Produktion unter den Nominierten.

Die Veranstaltung wurde zuletzt immer wieder von politischen Kontroversen begleitet, besonders lautstark 2016 mit der „Oscarssowhite“-Kampagne, die viel wohlfeile Selbstkritik nach sich zog – aber erst im vergangenen Jahr Konsequenzen. Im Juli ernannte die stark überalterte und in ihrer Zusammensetzung notorisch homogene Academy 774 neue Mitglieder, davon 39 Prozent Frauen, deren Gesamtanteil nun 28 Prozent beträgt. Das sind gute Voraussetzungen für einen strukturellen Wandel in einer Branche, in der noch immer eine Unternehmenskultur im Umgang mit Frauen und kulturellen Minderheiten herrscht, die heutzutage – gerade in den USA – in anderen Berufszweigen undenkbar wäre.

Zu den Golden Globes im Januar wurde bereits die Kampagne „Time’s Up“ ins Leben gerufen, auf dem roten Teppich dominierte die Farbe Schwarz. Wie die Academy ihre Solidarität mit den Frauen in der Branche zum 90. Jubiläum zeigen will, ist nicht bekannt, aber prominente Fürsprecherinnen wie Meryl Streep, Jennifer Lawrence oder Oprah Winfrey haben in den vergangenen Monaten deutlich gemacht, dass sie sich mit solidarischen Gesten nicht mehr zufrieden geben werden.

Mit etwas gutem Willen kann man die Folgen bereits an den diesjährigen Nominierungen ablesen. Noch nie waren unter den besten Filmen so viele Geschichten vertreten, die aus einer weiblichen Perspektive erzählt werden. Gute Chancen dürfen sich „The Shape of Water” und „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri” ausrechnen, die neben Christopher Nolans virtuosem Kriegsfilm „Dunkirk“ die meisten Nominierungen einsammelten. Guillermo del Toro, der Regisseur von „The Shape of Water”, wäre auch ein guter Kandidat für den Regie-Oscar, um die US-Dominanz ein wenig auszubremsen. Mit 13 Nominierungen gilt sein Monstermärchen rein zahlenmäßig als Favorit, er ist aber auch – anders als der gallige „Three Billboards“ – ein Crowdpleaser.

Im Jahr nach dem Überraschungserfolg von „Moonlight“ hat sich in Hollywood tatsächlich etwas getan. Mit „Lady Bird“ von Greta Gerwig und Jordan Peeles beißender Rassismus-Satire „Get Out“ befinden sich gleich zwei Außenseiter unter den ernstzunehmenden Oscar- Kandidaten. Gerwig ist sogar in zwei Kategorien nominiert, für Regie und das beste Originaldrehbuch. Ein weiteres Novum ist die Nominierung der Kamerafrau Rachel Morrison für die Netflix-Produktion „Mudbound“, als erste Frau in dieser Kategorie überhaupt.

Punktuell ist in Hollywood bereits ein Umdenken zu erkennen, auch vor dem Hintergrund des Erfolgs von „Black Panther“, der gerade weltweit alle Kassenrekorde bricht, und dem neuen Disney-Film „Das Zeiträtsel“ (Kinostart: 5. April) von Ava DuVernay: der ersten Frau, die bei einem Film mit einem Budget von über 100 Millionen Dollar Regie führt. Qualitativ waren die Oscars vielleicht noch nie so gut und divers besetzt wie in diesem Jahr. Die wichtigste Frage bleibt aber, wie Hollywood mit „MeToo“ und „Time’s Up“ umzugehen gedenkt. Auch über die Oscar-Verleihung hinaus.

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