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Kultur: Oskarine und die Herzschriftmacher

Am Ende ist er auf dem Sofa eines Freundes eingeschlafen, während der letzten Frankfurter Buchmesse, zwei Wochen, bevor er den Büchner-Preis in Empfang nehmen sollte und einige Tage vor seinem 79. Geburtstag.

Am Ende ist er auf dem Sofa eines Freundes eingeschlafen, während der letzten Frankfurter Buchmesse, zwei Wochen, bevor er den Büchner-Preis in Empfang nehmen sollte und einige Tage vor seinem 79. Geburtstag. Er legte sich hin, umgeben von seinen Texten, um sich auf eine Veranstaltung vorzubereiten, und wachte nicht mehr auf. Der rumäniendeutsche Dichter Oskar Pastior , 1927 in Hermannstadt in Siebenbürgen als Sohn eines Zeichenlehrers geboren. 1945 wurde er in ein sowjetisches Arbeitslager deportiert, studierte nach seiner Rückkehr 1949 in Rumänien Germanistik und wurde Rundfunkredakteur in Bukarest. Ende der sechziger Jahre nutzte er einen Studienaufenthalt in Wien zur Flucht in den Westen. Seitdem lebte er in einer winzigen West-Berliner Dichterklause, als Mitglied der „Familie der Wörtlichnehmer“ und morste regelmäßig und über Jahrzehnte hinweg Nachrichten aus seiner Sprachwelt.

Pastiors Wille, sich von sprachlicher Konditionierung frei zu machen war groß, seine Liebe zum Kalauer auch. Die Öffentlichkeit reagierte auf die mit dem Label „experimentelle Literatur“ versehenen Texte eher mäßig interessiert und führte lieber leerlaufende Realismusdebatten. Wenn Oskar Pastior doch noch eine bescheidene Berühmtheit erlangte, dann nicht als „Schrift-, sondern als Hörsteller“, wie ein Kritiker mal schrieb. Und wenn er nicht in seinem Zimmer saß, dann auf Podien von Literaturhäusern und auf Festivals. Alle Be rliner Literaturinstitutionen zusammen – vom Literarischen Colloquium über die Literaturwerkstatt bis zur Akademie der Künste -, veranstalten jetzt eine hochkarätig besetzte Erinnerung an Oskar Pastior , die am 9.3. um 19 Uhr im Roten Rathaus stattfindet und von Kultursstaatssekretär André Schmitz eröffnet wird (Anmeldung unter 030/8872860). Michael Lentz, Herta Müller, Ulf Stolterfoht und Ernest Wichner tragen Gedichte von Pastior vor, die Sopranistin Ksenija Lukic singt „O-Ton Automne – Linguistikherbst“ nach einem Gedicht von ihm. Außerdem wird die sogenannte „Oskarine“ vorgestellt, das Produkt einer Begegnung der Programmierkünstlerin Ulrike Gabriel mit dem Dichter.

Wer danach noch mehr Lust hat auf nicht-realistische Literatur: Am 12. März präsentiert das Literaturforum im Brecht-Haus ab 20 Uhr computergenerierte Liebeslyrik der Dichterin Ginka Steinwachs und des Malers Renee Miculaud unter dem Titel „Herzschriftmacher“. Der Kalauer liegt den experimentellen Poeten wohl im Blut.

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