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Palast der Republik: Sarkophag des Sozialismus

Der Fotograf Thorsten Klapsch macht einen Rundgang durch Untergangskulissen: Sein Bildband zeigt den Palast der Republik aus der Innensicht.

Es muss ein Gefühl gewesen sein wie beim Betreten eines Pharaonengrabs. Nur, dass hier keine Sarkophage, Tonscherben oder Hieroglyphen zu entdecken waren, sondern Kugellampen, Marmorflure und erdbeerfarbene Teppichböden im Op-Art-Dekor der Nachkriegsmoderne. Als der Fotograf Thorsten Klapsch im Januar 1993 begann, das Innere des Palastes der Republik zu dokumentieren, war das Monumentalgebäude am Berliner Schlossplatz seit knapp drei Jahren wegen Asbestverseuchung geschlossen. Aber alles war noch da, hermetisch versiegelt: die samtig strahlenden, sich bis unters Dach wölbenden Sitzreihen im Großen Saal, die Espressobar mit ihren fest verschraubten Barhockern, sogar die an die Wand eines Technikraums gepinnten Poster, die an Konzerte von Costa Cordalis und der Ostrockband Berluc erinnerten. Eine Zeitkapsel.

Es sei „ein bisschen spooky“, gruselig, gewesen, sagt Klapsch, der das Gebäude damals mehrere Wochen lang erkundet hat. Für jede Stunde im Palast musste er 40,26 DM an die Oberfinanzdirektion Berlin zahlen, und begleitet wurde er stets von einem Hausmeister. Klapsch, 1966 in Darmstadt geboren, hatte gerade sein Fotostudium beim Berliner Lette-Verein abgeschlossen, er verfügte über keine Reichtümer. Also ging er konzentriert zu Werke, machte mit seiner Hasselblad-Kamera Totalen vom Plenarsaal oder der in unwirklich grünes Neonlicht getauchten Zentralküche und entschied sich für prägnante Details: das Kabelgewirr in der „Rundfunkkoppelstelle“, das Telefon des Volkskammerpräsidenten, eine Uhr, die kurz vor zwölf stehen geblieben war.

Ein paar Fotos waren 1993 vom „Zeit-Magazin“ gedruckt worden, doch die komplette Serie mit rund 60 Aufnahmen ist erst jetzt herausgekommen, in einem prachtvollen Bildband mit dem Titel „Palast der Republik“, der so zu einer Art visuellem Nachruf wurde. Den im Februar 2006 begonnenen und im Dezember 2008 abgeschlossenen Abriss haben andere Fotografen festgehalten. Aber Klapsch zeigt zum letzten Mal die Räume des gewaltigen fünfgeschossigen Gebäudes und führt dabei durch die Kulissen eines gerade untergegangenen Staates.

Ästhetisch erinnerte der Palast an den Schuhkarton-Funktionalismus westdeutscher Stadthallen. Doch er war auch ein architektonisches Symbol. Dieses Stellvertretertum für ein verriegeltes Land hat Klapsch schön herausgearbeitet. Von seinen Bildern geht etwas Klaustrophobisches aus. Und das gedämpfte Licht, das in Flure und Foyers fällt, wirkt etwas zu warm, um wahr zu sein. Die Fassade war mit bronzefarbenen Thermoglasflächen überzogen, um eine Aufheizung des Inneren zu vermeiden.

„Was mich fasziniert hat: Das Haus war in perfekt aufgeräumtem Zustand, nichts sah hektisch verlassen aus“, sagt der Fotograf. „Bitte das Geschirr selbst abräumen“, steht auf einem Schild an der Kasse des „Bühnencasinos“. Eine Aufforderung, der offenbar Folge geleistet worden ist. 1700 Menschen waren einmal in dem Haus beschäftigt gewesen. Auf den Fotos sieht alles so hübsch durchgefegt aus, als ob sie sofort hätten weiterarbeiten können.

Beim Richtfest hatte Erich Honecker prophezeit: „Weit über die Grenzen unseres Landes wird der Palast der Republik künden vom Fleiß und der Schaffenskraft des Volkes.“ Populär wurde das Haus nach seiner Eröffnung 1976 dann wegen seines kulinarischen und kulturellen Angebots. Es gab 13 Restaurants, Bars und Kneipen, im Großen Saal traten Harry Belafonte, Udo Lindenberg und Miriam Makeba auf. Satireprogramme hießen „Lachen und lachen lassen“. Im Plenarsaal segneten die Volkskammer-Abgeordneten SED-Direktiven ab. Dann kam die Meinungsfreiheit. 1990 beschlossen die Parlamentarier den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik.

Auf dem Bild, das Thorsten Klapsch vom Rednerpult gemacht hat, ist das DDR-Wappen auf der Stirnwand des Plenarsaals bereits abmontiert. Hinter der Regierungsbank stehen die Stühle in Reih und Glied, der rote Teppich verströmt Feierlichkeit. Der Fotograf hat auch die Grenzübergangsstelle Drewitz-Dreilinden und das Berliner Sport- und Erlebniszentrum (SEZ) dokumentiert, weitere verschwundene DDR-Orte. Aber hier, im Plenarsaal des Palastes der Republik, hatte er „das komische Gefühl, diesem Staat ganz nahe zu sein“. Jetzt ist der Palast weg, und auf der Wiese, die seinen Platz übernommen hat, soll ab 2014 das Stadtschloss wieder aufgebaut werden.

Thorsten Klapsch: Palast der Republik. Edition Panorama, Mannheim 2010, circa 140 Seiten, 48 €

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