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Kultur: Palast der Republiken

Die 51. Biennale von Venedig

aufnahmen der jüngsten Ereignisse in Kiew, wo die erwachsen gewordenen Kinder und Enkel revoltierten. Babaks Arrangement kommt zwar ausgesprochen schlicht daher, beeindruckt jedoch in seinem Pathos und in seiner Authentizität.

Jedenfall mehr als die opulenten GinkgoFototableaux des britischen Duos Gilbert & George, das eigentlich das Gleiche bezweckt. Das seit den Sechzigerjahren kooperierende Künstlergespann präsentiert 25 am Computer komponierte Riesenformate im britischen Pavillon, die entsprechend der Doppelung zweier Ginkgoblatthälften letztlich ihre eigene Zwitterexistenz reflektieren.

Auch die Französin Annette Messager, eine andere Vertreterin des alten Europa, kreist rätselhaft um sich selbst, ebenfalls mit gigantischem technischen Aufwand, der sich nur mit nationalem Repräsentationsbedürfnis erklären lässt. Umso größere Verwunderung löste die Verleihung des Goldenen Löwen für den besten Länderpavillon an Frankreich aus. Die Künstlerin hat sich die rührende, uritalienische Geschichte Pinocchios vorgenommen, der gleich zu Beginn auf einer Bettrolle liegend durch die Kulisse gefahren kommt. Aber da plustert sich auch schon im nächsten Saal ein blutroter Seidenvorhang metaphorisch zur Feuerwelle auf, und im dritten Raum befördert ein automatisches Trampolin zerknautschte Kuscheltiere in regelmäßiger Folge mit einem Knall in die Höhe.

Die Beispiele England und Frankreich zeigen, dass sich die klassischen Pavillons zur repräsentativen Geste nicht mehr eignen. Den Gipfel erstürmt darin wider den erklärten Willen von Kurator Max Hollein das Alpenland Österreich. Der Kärntner Bildhauer Hans Schabus hat den Pavillon komplett zum Berg umgewandelt. Von außen wurde er mit Teerpappe verkleidet, was aus der Ferne tatsächlich steinernen Hängen gleicht, von innen kann der Besucher über Holztreppen hinauf- und hinunterklettern und die erhöhte Aussicht auf die Giardini genießen.

Auch der deutsche Kurator Julian Heynen versucht mit seiner Wahl, aller Repräsentativität entgegenzuwirken, macht zwei Schritte zurück und doch wieder einen vor. Tino Sehgal und Thomas Scheibitz sind keine Altstars, sondern vertreten interessante neue Positionen. Mit Scheibitz vergewissert sich Heynen jedoch wieder der klassischen Sparten Malerei und Skulptur. Mit Sehgal wagt er sich zwar auf neues Terrain, aber die Verbindung beider Formen ist eine glücklose Kombination. Das eine wirkt weder für das andere erhellend; stattdessen wird Scheibitz von den singenden und tanzenden Aufsehern an die Wand gespielt, und Sehgals Aktionskunst erscheint vor dem Hintergrund der strengen ScheibitzSkulpturen wie ein schlechter Scherz.

Die kleineren Länder, die Schweiz oder Dänemark, verfolgen einen anderen, neuen Ansatz. Hier haben die Kuratoren mehrere Künstler ausgewählt, die keine Gewissheiten zu vermitteln haben. So konfrontiert etwa im Schweizer Pavillon die Videokünstlerin Shahryar Nashat einen jungen Turner mit der physischen Präsenz des Medici-Zyklus von Rubens im Pariser Louvre. Seine Reaktion darauf: der vollendete Handstand. Auch Joachim Koester erzählt im dänischen Pavillon die Geschichte eines schönen Scheiterns: Es geht um den missglückten Versuch einer Polarexpedition per Heißluftballon im Jahr 1897. Dreißig Jahre nach dem Absturz tauchten im Packeis die erhaltenen Filme auf, die Koester nun zeigt – ein weißes Rauschen, das zu späten Ehren kommt. Den Überlebenskünstler gibt auch der junge Israeli Guy Ben-Ner, der aus den Elementen eines Baumes Tisch, Stuhl, Bett und Sonnenschirm konstruiert und am Ende, einem Robinson Crusoe gleich, nur mit Shorts bekleidet erschöpft entschlummert.

Die überzeugendsten Antworten in Venedig liefern gegenwärtig die tragikomischen Helden. So animiert auch Tino Sehgals „This is so contemporary“ am Ende doch zu einem befreienden Lachen.

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