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Thomas Brasch

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Panorama: Des Dichters Angst

Der Tod des Schriftstellers Thomas Brasch wird im November zehn Jahre her sein. Christoph Rüters Hommage läuft im PANORAMA der Berlinale – und ist mehr Denkmal als Dokumentarfilm.

Von David Ensikat

Viel zu intim, die Frage! Warum er schreibt, soll Thomas Brasch in die Kamera sagen. Das wird er selbstverständlich nicht tun. Sagt er. Wie anmaßend, nach so etwas zu fragen.

Dann erzählt er aber doch, warum er gar nicht anders kann als schreiben, wegen seiner Angst vor allem, der Angst, allein zu sein. Und er sagt, dass er auf keinen Fall über sich selbst schreiben wolle – aber er tut ja überhaupt nichts anderes. Lauter toll klingende Sätze sagt Thomas Brasch, und ob sie stimmen oder nicht, ist ganz egal. Er ist Dichter; da kommt es auf den Klang an, auf den Augenblick und auf die Attitüde.

Diesen Eindruck hat man jedenfalls, wenn man sich Brasch im Film ansieht. „Brasch. Das Wünschen und das Fürchten“ heißt er. Ein Dokumentarfilm, in dem nur einer über Thomas Brasch spricht: Thomas Brasch. Im November wird sein Tod zehn Jahre her sein.

Mit nur 56 Jahren ist er gestorben, und er hatte mindestens so viel Angst vorm Ende, wie Sehnsucht danach. Kaum ein Augenblick in diesem Film, in dem er sich nicht an einer Zigarette festhielte, festsaugte, manchmal trinkt er, manchmal ist er betrunken oder anders zugedröhnt: Sucht und Attitüde, wo ist der Unterschied?

Der Film kombiniert Interviews und Aufnahmen aus der Zeit nach 1976, als Brasch ganz frisch im Westen war und als Dissident galt, was er niemals sein wollte. Dazu Ausschnitte aus Filmen und Theaterstücken von ihm und Gespräche mit ihm aus den letzten Jahren. Da hat er zwar noch viel geschrieben, aber nur wenig veröffentlicht. Oft hat er sich selbst gefilmt, im Spiegel, und man könnte meinen, dass bei den Aufnahmen, die sein Freund Christoph Rüter von ihm gemacht hat, auch er selbst Regie führte. Von Rüter stammt nun dieser Zusammenschnitt, der vielleicht mehr ein Denkmal sein will als ein Dokumentarfilm.

Ein Denkmal allerdings, das nicht nur die Größe und Dramatik des Helden Brasch zeigt, sondern mindestens so deutlich seine Lächerlichkeit und seine Schwäche. Thomas Brasch sitzt an der Spree, will einen Text vorlesen, dabei aber auf keinen Fall nach unten sehen, weil sein Blick nicht niedergeschlagen sein darf. Er hält also die Blätter umständlich nach oben, liest stockend, und niemand wird sich auf den Text konzentrieren. Aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig sind des Dichters schöne Augen. David Ensikat

Heute 17 Uhr (Cinestar 7); 14. 2., 12 Uhr (Cinestar 7); 15. 2., 15.30 Uhr (Colosseum 1)

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