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Kultur: Paradies der Alphatiere

Von Kollaps keine Spur: Die Art Basel Miami Beach boomt weiterhin

Am Strand von Miami Beach steht das hippeste Containerdorf der Welt: die Art Positions, ein Ausstellungsteil der Art Basel Miami Beach (ABMB). In den grau und pink gestrichenen 22 Seecontainern, in den die Schweizer Messemacher die 380 Tonnen schweren Stellwände für die Messe über den Atlantik schaffen, erhalten aufstrebende Galerien ihre Chance zur preiswerten Präsentation. Hier trifft man auf Galeristen, die das Kundengespräch mit dem Sonnenbad verbinden. Hier stört es nicht, Shorts zu tragen oder vor dem Gang in die Hallen des Convention Centers, wo bis Sonntag die fünfte ABMB stattfindet, den Sand aus den Edelpumps zu kippen. Diese Mixtur aus Kunst und Party, Low und High, Diskurs und Happening ist typisch Miami.

Eine halbe Taxistunde weiter, zwischen der 35. und 36. Straße in Midtown Miami, wo man nach Einbruch der Dunkelheit ungern bleibt, stehen ebenfalls rostige Container. Sie bieten den Eingang zur Scope, einer der inzwischen mehr als zwölf Satellitenmessen, welche an der Kaufkraft der zu Tausenden einfliegenden Sammler partizipieren wollen. Ein BMW-Shuttle-Service sorgt für Mobilität. Immerhin soll der ABMB-Umsatz um die drei Milliarden US-Dollar betragen. Veranstaltungen wie Scope oder auch die zum zweiten Mal organisierte Pulse spielen da ihre Rolle als Gegenmessen authentischer als die institutionelle Containerschau. Hier überraschen etwa die raffinierten Fotoinszenierungen von Arsen Savadovs (Daneyal Mahmood Gallery, New York) oder die monochromen Kinderszenen auf den Gemälden von Adela Leibowitz (Gallery 10 G, New York).

Eine Konkurrenz braucht der Schweizer Messeexport vorerst nicht zu fürchten: Die Nachfrage, glaubt man den roten Punkten, hat sich auf exorbitant hohem Niveau verstetigt. Die US-Sammler bestreiten inzwischen bis zu 80 Prozent des Umsatzes an zeitgenössischer Kunst. Während anderenorts Kollektionen im Zürcher Zollfreilager verschwinden, pflegen Floridas Kunst-Tycoons ein osmotischeres Verhältnis zur Öffentlichkeit. Sammler wie der Autohändler Norman Braman öffnen ohne Scheu ihr Schlafzimmer für ausgewählte Gäste, wo drei Frühwerke Pablo Picassos ihre Kraft entfalten. Andere betreiben in sanierten Warehouses eigene Ausstellungshäuser. Abseits der hierarchisierten VIP-Inszenierungen bei der ABMB geschieht dies erfrischend unkonventionell bei freiem Einlass. Etwa beim Ehepaar Don und Mera Rubbell, das mit der grandiosen Schau „Red Eye. L. A. Artists from the Rubbell Family Collection“ einen Fokus jenseits der gehypten Zentren setzte als Kontrastprogramm zur anämisch werdenden „Neuen Leipziger Schule“ oder der von der amerikanischen Vanity Fair ausgerufenen „New New Yorker School“.

Wann kommt der Kollaps, wann platzt die Blase? Die Existenzfrage begleitet den Schweizer Messeexport seit seiner Sturzgeburt. Heute sind die Apokalyptiker weitgehend verstummt. Der Crash wird wohl ausbleiben; auch weil die ABMB, Symbol des gewandelten Kunstmarkts, mit Hilfe des prosperierenden Umfelds die eigenen Schwächen überdeckt. Organisatorisch am Limit stellen sich Redundanzen ein. Das Material wird offensichtlich knapp. Zudem geht nach dieser Show der Kapitän von Bord – Samuel Keller wechselt zur Fondation Beyeler, die Nachfolge ist ungeklärt. Da Keller als einflussreiche Hintergrundfigur erhalten bleibt, wird der Job für jeden Neuen zum Balanceakt. Bei der ABMB-Premiere vor fünf Jahren trug Messepionier Keller das T-Shirt eines Schweizer Modelabels. In kleinen Buchstaben stand darauf „Erfolg“ geschrieben. Auf solche Mutproben kann sein Nachfolger verzichten.

Paul Kaiser

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