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PAUKEN & Trompeten: Absolut relativ

Lange hat es gedauert, bis der Siegeszug der historischen Aufführungspraxis auch das Streichquartett erreichte. Während sich Norrington, Herreweghe & Co.

Lange hat es gedauert, bis der Siegeszug der historischen Aufführungspraxis auch das Streichquartett erreichte. Während sich Norrington, Herreweghe & Co. mit ihren Orchestern schon weit ins 19. Jahrhundert vorwagten, gelang es erstaunlicherweise keinem Ensemble, in der Königsdisziplin der Quartettliteratur eine vergleichbare Hörrevolution einzuleiten. Und das, obwohl es schon seit den Siebzigern Quartette gab, die „originalen“ Mozart und Haydn boten. Dass sich diese Formationen nicht durchsetzen konnten, lag weniger an mangelnder Qualität als an der Tradition der Gattung: Mit seinem Anspruch, die absolute Musik in Reinkultur, das „Nackende in der Musik“ (wie es Carl Maria von Weber nannte) zu verkörpern, schien das Streichquartett gegen die historische Aufführungspraxis gefeit. Gerade weil nach allgemeinem Konsens die Komponisten seit Haydn besonders konzentriert und kompromisslos zu Werke gingen, proklamierten auch die Interpretationen Zeitlosigkeit.

In den letzten Jahren hat sich das etwas geändert – sicher auch, weil die meisten Hörer und Musiker inzwischen die rhetorischen Spannungsbögen und den vibratoarmen Sound verinnerlicht haben. Ein Star-Quartett auf Originalinstrumenten gibt es bislang dennoch nicht, auch wenn das Mosaiques-Quartett aus dem Dunstkreis von Harnoncourts Wiener Concentus Musicus regelmäßig in der Philharmonie gastiert.

Vielleicht gelingt ein solcher Durchbruch dem Schuppanzigh-Quartett. Seit seiner Gründung vor 13 Jahren haben die Musiker um den charismatischen Geiger Anton Steck ein spannendes Repertoire von Beethoven- und Haydn-Zeitgenossen wieder publik gemacht. Ihre neueste Haydn-CD wird international bejubelt. Haydn steht auch auf dem Programm ihres Auftritts am Dienstag im Radialsystem, bei dem sie ihre Darmsaiten im entspannten Lounge-Rahmen zum Klingen bringen.

Wie weit sich die historische Aufführungspraxis inzwischen spezialisiert hat, lässt sich heute um elf im Musikinstrumentenmuseum erleben. Im Zentrum der Matinee steht der Wiener Kontrabass der Haydn-Zeit, sozusagen der Neandertaler unter den Kontrabässen, von dem das Museum ein frühes Exemplar besitzt.

Spätaufsteher können den eigentümlichen, gravitätisch schabenden Ton des Instruments übrigens auch auf einer frisch erschienenen CD des kleinen Labels Challenge hören, die das Kontrabass- und Lautenkonzerte des Wiener Komponisten Karl Kohaut vorstellt.

Jörg Königsdorf

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