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PAUKEN & Trompeten: Die heimlichen Lieblinge

In seiner letzten Ausgabe veröffentlichte das BBC Music Magazine ein überraschendes Umfrageergebnis. Führende Händel-Interpreten von John Eliot Gardiner bis Emmanuelle Haim waren nach ihrem absoluten Händel-Lieblingswerk gefragt worden – und das Stück, das mit Abstand die meisten Stimmen erhielt, war nicht etwa der „Messias“ oder die „Feuerwerksmusik“, sondern die späte Kirchenoper „Theodora“.

In seiner letzten Ausgabe veröffentlichte das BBC Music Magazine ein überraschendes Umfrageergebnis. Führende Händel-Interpreten von John Eliot Gardiner bis Emmanuelle Haim waren nach ihrem absoluten Händel-Lieblingswerk gefragt worden – und das Stück, das mit Abstand die meisten Stimmen erhielt, war nicht etwa der „Messias“ oder die „Feuerwerksmusik“, sondern die späte Kirchenoper „Theodora“. Aus Berliner Sicht ist das zwar etwas frustrierend, weil das Stück hier vermutlich noch nie zu sehen war (immerhin steht es seit Langem ganz oben auf René Jacobs’ Wunschliste für die Staatsoper). Andererseits zeigt das Ergebnis aber zumindest, dass Bekanntheitsgrad eines Stückes und Qualität nicht immer gleichzusetzen sind – ähnlich wie im Falle Mozarts, wo Musiker bei einer ähnlichen Jubiläumsumfrage für das späte Divertimento KV 563 votierten. Zwei solcher Stücke, die bis heute im Schatten prominenterer Händel-Werke stehen, lassen sich derzeit auf ihre Lieblingswerktauglichkeit prüfen: Im Radialsystem präsentiert heute noch einmal die Händel-erfahrene Akademie für Alte Musik das allegorische Oratorium „Il trionfo del tempo e del disinganno“, das der 22-jährige Komponist in Rom auf den Text des ambitionierten Papstneffen Benedetto Pamphili schrieb (siehe Kritik auf Seite 26). Im kommenden Jahr wird diese Rarität nicht nur konzertant, sondern auch szenisch zu erleben sein.

Quasi als Aufwärmer für die Feiern zum 250. Händel-Todestag im April nimmt dagegen die Komische Oper am Freitag ihre Inszenierung des „Theseus“ wieder ins Programm. Händel-Traditionalisten seien allerdings ausdrücklich vor der Inszenierung Benedikt von Peters gewarnt: Mit der opulent ausgestatteten Zauberoper, die bei der Londoner Uraufführung anno 1713 das Publikum – wenn auch nur mäßig – beeindruckte, hat der junge Regisseur nichts im Sinn. Umso mehr mit der existenziellen Verunsicherung, die alle Beteiligten des Dramas plagt. In einer verregneten Schlammwüste lässt er Händels Medea-Drama spielen, was zwar eine enorme atmosphärische Kraft hat, aber eben nicht gerade das ist, was konservative Opernbesucher unter einem schönen Abend verstehen. Musikalisch war die erste Aufführungsserie allerdings ein beeindruckender Beweis dafür, dass auch normale Opernensembles inzwischen auf Ohrenhöhe mit den Alte-Musik-Spezialisten sind. Zum Glück sind beide Hauptverantwortlichen auch diesmal wieder dabei: der Dirigent Alessandro de Marchi und vor allem Berlins meistgeliebter Mezzosopran Stella Doufexis, die als Medea einen ihrer größten Erfolge feiern konnte.

Jörg Königsdorf

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