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PAUKEN & Trompeten: Ein Hoch auf den Kanon!

Wäre das schön, die Berliner Philharmoniker jede Woche mit Beethovens Fünfter zu hören, die Staatskapelle mit der „Zauberflöte“ und das Freiburger Barockorchester mit den „Jahreszeiten“. Geht aber nicht.

Wäre das schön, die Berliner Philharmoniker jede Woche mit Beethovens Fünfter zu hören, die Staatskapelle mit der „Zauberflöte“ und das Freiburger Barockorchester mit den „Jahreszeiten“. Geht aber nicht. Je mehr, desto weniger, heißt die Devise, je besser und berühmter die Orchester und die Kompositionen, desto seltener kommen sie zusammen, wohl wegen der Last der Rezeptionsgeschichte und derjenigen der Zuschauermassen, die bei etwaigen Konzerten von außen gegen die Saaltüren drücken. Wie soll man sich da vertraut machen mit dem sogenannten Kanon, wie zu einem „classical immigrant“, geschweige denn zu einem „classical native“ werden, der das Repertoire im Schlaf nachsingen kann?

Zum Glück naht Hilfe. Das fabelhafte Leipziger Streichquartett, von Mitgliedern des Gewandhausorchesters vor mehr als zwanzig Jahren gegründet, spielt am Donnerstag im Kammermusiksaal gleich mehrere berühmte Werke. Zuerst Mendelssohns viertes Streichquartett von 1837. Dann das „Amerikanische“ Streichquartett von Dvorák mit seinem langsamen Satz, aus dem man wahlweise böhmische Schwermütigkeit oder aber die weiten Weiten der nordamerikanischen Tiefebene heraushören kann. Dvorák war zur Entstehungszeit 1893 nämlich in Spillville bei Landsleuten zu Gast, also gewissermaßen in Europa und Amerika zugleich.

Als besonderes Schmankerl aber spielen die vier Leipziger Beethovens Opus 133, die trotz überirdisch schöner Klanginseln ziemlich furchterregende „Große Fuge“. Sie ist heute fast noch bekannter als das Streichquartett, aus dem sie nach der Uraufführung 1827 herausgelöst wurde, da man beim Hören noch leichte Schwierigkeiten mit ihr hatte.

Ob die Leipziger all dies tun, weil sie als eine der besten deutschen Quartettformationen eine Vorbildfunktion in Sachen „musikalischer Kanon“ erfüllen, oder ob ihnen Mendelssohn-Dvorák-Beethoven angesichts der generellen Gefahr der Publikumsaustrocknung eher als eine Art Schutzheilige dienen, indem eine angemessen große Zuhörerschaft mit, sagen wir, Hensel-Raff-Dittersdorf nicht zu gewinnen wäre – solche Fragen sind schwer zu beantworten. Jedenfalls, dies sei zur weiteren Verwirrung hinzugefügt, lässt sich Beethovens Fuge auch als Sonate in einem Satz, alternativ sogar als Sonatenhauptsatzform darstellen.

Wer sich an einer ähnlichen Verbindung gängiger Formen gütlich tun und außerdem dem musikalischen Nachwuchs dabei zuhören möchte, wie er in einer Mischung aus Unverdrossenheit und Tollkühnheit den Kunstlied-Kanon auffrischt, kann am selben Abend auch ins Musikinstrumentenmuseum gehen, wo Andreas Wolf (Bariton) und Alexander Fleischer (Klavier) den ersten Liederzyklus der Musikgeschichte interpretieren, Beethovens „An die ferne Geliebte“ von 1816, daneben Lieder von Schubert und Brahms.

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