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PAUKEN & Trompeten: Es muss nicht immer Bach sein

So viel Frohlocken war selten: Wer kurzfristig Lust bekommen sollte, sich mit Bachs „Weihnachtsoratorium“ in Adventsstimmung zu bringen, hat heute die Auswahl zwischen sechs verschiedenen Aufführungen. Auch nächstes Wochenende gibt es ein gutes Dutzend Berliner Weihnachtsoratorien.

So viel Frohlocken war selten: Wer kurzfristig Lust bekommen sollte, sich mit Bachs „Weihnachtsoratorium“ in Adventsstimmung zu bringen, hat heute die Auswahl zwischen sechs verschiedenen Aufführungen. Auch nächstes Wochenende gibt es ein gutes Dutzend Berliner Weihnachtsoratorien. Und das alles wohl nur, weil Bach mit dem Eingangschor zur ersten Kantate ein echter Ohrwurm gelungen ist, der es als einer der ganz wenigen Klassiktitel sogar unter die hundert beliebtesten Melodien der Deutschen geschafft hat. Vermutlich kommt ein beträchtlicher Teil des Publikums nur wegen dieser ersten sieben Minuten (und vielleicht wegen der schönen Alt-Arie „Bereite dich, Zion“ kurz darauf). Der Rest ist Füllmasse. Denn meist wird ohnehin nur ein Teil des Kantaten-Sechserpacks aufgeführt – wenn der Chor der Freien Musikschule Berlin am Mittwoch in der Kirche am Hohenzollernplatz oder der Studiochor am 19. Dezember in der Philharmonie tatsächlich das ganze Weihnachtsoratorium in einem Konzert schultern, sind das Ausnahmen.

Warum also nicht gleich nur die erste Kantate spielen und deren Popularität nutzen, um das Publikum im Rest des Programms mit unbekannterer (Vor-)Weihnachtsmusik bekannt zu machen? Denn die gibt es bündelweise – von Bach selbst, aber natürlich auch von seinen Kollegen wie Telemann, Graupner und Stölzel, die alle fleißige Kantaten- und Oratorienschreiber waren. Das Weihnachtsoratorium von Gottfried Heinrich Stölzel etwa, von dem im Gothaer Schloss etwa tausend Kantaten vor sich hinschimmeln, ist ein echter Geheimtipp. Aber ein paar Chorvereinigungen gibt es doch, die sich der Weihnachtsoratorium-Monokultur verweigern. Morgen knöpfen sich etwa HfM-Rektor Jörg-Peter Weigle, sein Philharmonischer Chor und die ausgezeichnete (auf Originalinstrumenten spielende) Batzdorfer Hofkapelle in der Philharmonie Händels Oratorium „Belshazzar“ vor. Dafür haben sie eine Reihe großer Sängernamen eingekauft: Staatsopern-Bassbariton Hanno Müller-Brachmann, die Sopranistin Ruth Ziesak und den amerikanischen Countertenor Derek Lee Ragin.

Oder auch die Sing-Akademie zu Berlin, deren Doppelprogramm am Dienstag in der Villa Elisabeth das Prädikat „pädagogisch besonders wertvoll“ verdient. Erst bekommen in einem offenen Weihnachtsliedersingen unter dem Motto „Noel, Noel“ Familien die Gelegenheit, generationsübergreifend ihre Französischkenntnisse zu verbessern. Danach gibt es Fremdsprachenkunde für Fortgeschrittene: Wer bei der Aufführung von Camille Saint-Saens’ Weihnachtsoratorium mitsingen oder in der Streichergruppe mitspielen will, sollte jedoch langjährige Chor- und Musiziererfahrung mitbringen und sich am besten vorher noch die Noten zum Üben herunterladen. Das empfehlen die Sing-Akademiker auf ihrer Website. Sie werden wissen, warum.

Jörg Königsdorf

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