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Pauken & Trompeten: Im Schatten des Meisters

Jörg Königsdorf über Beethovens vergessene Konkurrenten.

Man gewinnt bei der Durchsicht von Konzertprogrammen schnell den Eindruck, das Streichquartett sei zumindest bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts vor allem eine deutsche – oder genauer: deutsch- österreichische – Angelegenheit gewesen. So, als ob Dvorák und Tschaikowsky die ersten gewesen wären, die sich nicht von der Fülle an Meisterwerken hätten einschüchtern lassen, die ausschließlich im deutschen Sprachraum entstanden waren. So überzeugend es klingt, dass das Volk der Dichter und Denker die intellektuellste Form der Musikausübung für sich gekapert hatte, so falsch ist es auch. Denn natürlich haben auch die Komponisten jenseits von Rhein und Alpen schon bald nach der Initialzündung durch Haydn Quartette geschrieben – gute und zum Teil sogar großartige, die bisher weitgehend ignoriert worden sind.

Das fängt mit den Werken Luigi Boccherinis an, die einen ganz eigenen, sonnig mediterranen Tonfall finden und in ihrer lockeren Faktur an die Bilder des Venezianers Francesco Guardi erinnern. Das geht über die Quartette des Spaniers Arriaga bis hin zu den erstaunlichen Spätwerken Luigi Cherubinis, von denen schon Schumann schwärmte. Wie viel es auf diesem Gebiet noch zu entdecken gibt, zeigt eine gerade erschienene CD des französischen Diotima Quartetts mit drei Quartetten des 1784 in Clermont-Ferrand geborenen George Onslow: Kaum zu glauben, dass sich bislang kein Mensch um diese Werke gekümmert hat, die vor allem in den langsamen Sätzen an Beethoven-Qualität heranreichen!

Ob auch die Quartette von Onslows Zeitgenossen Alexandre-Pierre-François Boëly eine solche Entdeckung sind? Das Wiener Mosaiques-Quartett ist jedenfalls von dessen Opus 27 so überzeugt, dass es das Stück unlängst eingespielt hat. Es klinge „wie früher Beethoven ohne revolutionären Funken“, befand der Londoner „Independent“ angesichts der Aufnahme. Gelegenheit, dieses Urteil zu überprüfen, gibt es am Mittwoch beim Konzert der Mosaiquer im Kammermusiksaal der Philharmonie. Gerahmt wird die Rarität nach bewährter Sandwichtaktik von Beethoven und Schumann, gespielt auf historischen Instrumenten.

Jörg Königsdorf

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