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PAUKEN & Trompeten: In Vino Veritas

Die entscheidende Frage für jedes Streichquartett stellt sich gleich bei der Existenzgründung. Der Name, den sich die Formation gibt, deutet nicht nur die Ausrichtung des Repertoires an, sondern kann durchaus mitentscheidend im harten Konkurrenzkampf der kaum subventionierten Kammermusikszene sein.

Die entscheidende Frage für jedes Streichquartett stellt sich gleich bei der Existenzgründung. Der Name, den sich die Formation gibt, deutet nicht nur die Ausrichtung des Repertoires an, sondern kann durchaus mitentscheidend im harten Konkurrenzkampf der kaum subventionierten Kammermusikszene sein. Noch vor einigen Jahrzehnten war es ja relativ einfach: Quartette nannten sich in der Regel nach dem ersten Geiger, nach ihrer Heimatstadt oder einfach nach einem berühmten Komponisten. Doch während Ersteres schon wegen des gleichberechtigten Selbstverständnisses moderner Formationen problematisch geworden ist, haben die beiden Alternativen den Nachteil, dass die attraktiven Städte- und Komponistennamen meist schon vergeben sind und, weil quasi blankes Kapital, auch kaum je wieder frei werden.

Was also tun, nachdem selbst die Möglichkeit der blanken Negation durch das „Quatuor sine nomine“ schon ausgeschöpft worden ist? Antike geht – siehe Kairos und Artemis-Quartett – natürlich immer, schon weil der intellektuelle Anspruch der Gattung Streichquartett gut zu den Raffinessen lateinischer Grammatik passt. Oder einfach ein schön klingender Name wie „Ebène“ (Ebenholz)? Besser getroffen hat es da schon das französische Diotima-Quartett, das seinen Namen von Luigi Nonos Hölderlin-inspiriertem Quartett „Fragmente … Stille … an Diotima“ herleitet und sich passenderweise auch mit zeitgenössischem Repertoire besonders profiliert hat.

Den Preis für den sympathischsten Namen verdient allerdings das Mandelring-Quartett, das seit über 25 Jahren zu den erfolgreichsten deutschen Formationen gehört: Nachdem der Ursprungsname, „Quartett des Kurfürst-Rupprecht-Gymnasiums“ aus begreiflichen Gründen irgendwann nicht mehr passte und auch der Heimatort Neustadt an der Weinstraße nicht unbedingt namenstauglich schien, entschieden sich die vier kurzerhand für eine Ehrung ihres Übungsraums – weil die vier in einem ehemaligen Weingut probten, nannten sie sich nach der dort kultivierten Lage namens Mandelring. Eine Wahl, die sowohl Repertoirevielfalt versinnbildlicht – auf dem Mandelring werden sowohl Riesling als auch Burgunder und Scheurebe angebaut – als auch eine gewisse Tiefgründigkeit und Entwicklungsfähigkeit suggeriert, und die darüber hinaus prophetisch war: In den seither gut 25 Jahren haben sich die Mandelrings ähnlich entwickelt wie Spitzenwein, was auch ihre gerade abgeschlossene, mehrfach ausgezeichnete Gesamteinspielung der Schostakowitsch-Quartette belegt.

Gut, dass die weinseligen vier jetzt auch in Berlin präsent sind: Am Freitag starten sie mit Werken von Haydn, Beethoven und Tschaikowsky einen dreiteiligen Konzertzyklus im Kammermusiksaal. Darauf schon mal ein Glas Mandelring!

Jörg Königsdorf

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