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PAUKEN & Trompeten: Piepen und Kratzen

Rechnungen über Rechnungen. Die amerikanische Zeichnerin Roz Chast stellte einst im Magazin „New Yorker“ dar, wie sie in einem Schnellrestaurant wegen eines Käfers unter ihrem Omelette einen Abzug von genau 2 Dollar 50 erhielt, „sollte mir recht sein, nur hab ich die Rechnung nicht verstanden“, schrieb Chast.

Rechnungen über Rechnungen. Die amerikanische Zeichnerin Roz Chast stellte einst im Magazin „New Yorker“ dar, wie sie in einem Schnellrestaurant wegen eines Käfers unter ihrem Omelette einen Abzug von genau 2 Dollar 50 erhielt, „sollte mir recht sein, nur hab ich die Rechnung nicht verstanden“, schrieb Chast.

Musik sei das verborgene Zählen der Seele, teilte andererseits Gottfried Wilhelm Leibniz mit, und der Kommunismus, das rechnete wiederum Wladimir Iljitsch Lenin vor, das sei die Sowjetmacht plus die Elektrifizierung des Landes.

Besonders ernsthaft zählen in diesen Tagen wohl die Komponisten von Neuer Musik eins und eins zusammen: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Tantiemen in Zukunft schrumpfen werden, schließlich stehen auch sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Markt. Trotz jahrzehntelanger Einübung in die Autonomie der Kunst, trotz der vom Staat mit Bedacht gesteuerten und unterstützten Emanzipation von Publikumswünschen. Hoffen wir das Beste für ihren Lebensunterhalt, wünschen wir den Komponisten noch Extras wie einen Tagesschau-Jingle oder eine plötzliche Nachfrage nach E-Musik-Klingeltönen und wenden uns der Musik-Rechnung für die kommende Woche zu.

Barockmusik plus Elektronik, das dürfte die Elektrisierung der gesamten Zuhörerschaft bedeuten. Am Donnerstag im Konzerthaus kommen das Ensemble Elbipolis und DJ Brezel Göring zusammen, um Alt und Neu, in diesem Fall Akustik und Elektronik zusammenzufügen. Das kleine Hamburger Orchester spielt einen Reigen ausgewählter Barock-Stücke, und Herr Brezel Göring von der Berliner Musikgruppe „Stereo Total“ stellt sich dazu ans Mischpult und arbeitet, also dreht, schiebt, piept und kratzt seine Ansichten zum Gehörten ein, eine überaus charmante Zusammenarbeit, wie von dieser Stelle aus beglaubigt werden kann.

Nur die ebenfalls im Rahmen des „zeitfensters 2012“ stattfindende Elektronische Nacht, am späten Samstagabend im Radialsystem, kann diese Konstellation noch überbieten, und zwar in der Einbeziehung einer visuellen, gleichfalls elektronisch übermittelten Ebene: Die Geigerin Midori Seiler, Konzertmeisterin der Akademie für Alte Musik Berlin, interpretiert eine Bach-Partita für Violine solo, und Johannes Malfatti (Elektronik) sowie das Videokollektiv Pfadfinderei (Visuals) tauchen den Auftritt in eine Licht-, Bild- und Klanginstallation ein.

Besucher der Veranstaltungen können damit auf gleich zwei Sonderboni zählen, nämlich Anstrengung und Entspannung in ein beruhigendes Mittel zu bringen und mit einer einzigen Karte Zugang zu zwei Sparten zu erhalten, zu Konzert- und Clubwesen gleichermaßen.

Christine Tewinkel

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