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Trauerclown. Paul Kothers Ölgemälde „Bajazzo“.

© Zitadelle

Paul Kother in Spandau: Vertrauen in die Farbe

Lange war er ein No-Name der Kunstgeschichte, jetzt ist der expressionistische Maler Paul Kother in der Spandauer Zitadelle wiederzuentdecken.

Im Juni 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, annonciert die Galerie Der Sturm in der Potsdamer Straße ihre 42. Ausstellung: Lyonel Feininger, Paul Kother, Conrad Felixmüller werden vorgestellt. Zwei dieser Künstler sind heute berühmt. Der 1878 geborene Paul Kother geistert nur noch als No-Name durch die Kunstgeschichte.

Jetzt ist er in den Backsteingewölben der Spandauer Zitadelle wiederzuentdecken: ein Expressionist, der eigentlich keiner ist. Denn seine Bilder sind zwar intensiv und sehr farbig, aber niemals wild. Emotionaler Überschwang ist ihnen fremd. Dafür besaß Kother ein untrügliches Gefühl für das Zusammenklingen farbiger Werte. Egal, ob er einen blühenden Baum in die Landschaft stellte, ein paar nackte junge Leute in bester Brücke-Manier am Ostseestrand gruppierte oder, eines seiner Lieblingsthemen, eine Mutter mit Kind zur säkularisierten Madonna stilisierte.

Oft nahm er dafür seine eigene Frau Mara als Modell. Die Dunkelhaarige mit den hohen Wangenknochen war die Schwester von Otto Mueller und ebenfalls künstlerisch aktiv – als Stickerin. Die beiden Maler hatten sich bereits beim Akademiestudium in Dresden angefreundet. Zu Fuß marschierten sie 1898 bis nach München, um bei dem angesagten Franz von Stuck zu studieren. Doch während Mueller als Brücke-Maler und später als Akademie-Professor in Breslau Karriere machte, wie derzeit gerade in einer Ausstellung im Hamburger Bahnhof zu sehen ist, rutschte Kother ins Abseits. Dabei war er in den zwanziger und dreißiger Jahren sehr produktiv, bevor er in der NS-Zeit als entartet diffamiert wurde und sich wegduckte, später in der DDR kaum noch als Künstler in Erscheinung trat. Gelebt hat er in Leipzig, Dresden, Berlin und Weimar. Dort starb er 1963.

Kother balanciert Kontraste aus

Fast nie hat Paul Kother seine Werke signiert oder datiert. Was jetzt als Oeuvre greifbar wird, stammt aus dem Nachlass: Rund 130 Ölgemälde, Pastelle, Handzeichnungen und Druckgrafiken werden in Spandau in Themengruppen vorgestellt. Mit Hut und Schlips oder bohemienhaft mit Pfeife präsentiert sich der Maler in Selbstporträts. Sein Strich ist durchweg sicher und rasch gesetzt, kantig umreißt er die Dinge mit kräftigen Konturen. Gemäßigte Expressionisten gab es in den 1920er Jahren viele, Paul Kother überzeugt vor allem als Kolorist. Auf einem großen Pastell bettet er die sonnengebräunten Körper von Badenden am Strand in ein koloristisches Umfeld aus Violett und Rosa, Ocker und Gelb.

Dann wieder setzt er bei einer bäuerlichen Landschaft mit Reetdachhaus Orange, Taubenblau und Blassgelb gegeneinander. Darin liegt keine Radikalität, sondern ein großes Vertrauen in die Fähigkeit der Farben, ein Bild zu tragen. Immer wieder neu balanciert Kother die Kontraste aus. Auch an biblischen Themen hat er sich versucht. Linolschnitt beherrschte er ebenso wie die diffizile Radierung und den schnellen, herben Zeichenkohlestrich. Am schwächsten ist er da, wo er am expressivsten sein will und sich abgegriffene Themen wie den traurigen Bajazzo vornimmt. Aber Kother kann ein paar rote Häuserkuben nebeneinanderschachteln und einen blauen Himmel darüberziehen und das Bild ist in sich stimmig, ohne Wenn und Aber.

Zitadelle Spandau, Am Juliusturm 64, bis 6. 1.; Mo bis So 10-17 Uhr, Katalog 25 €.

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