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Kultur: "Penner haben Stil"

Nach "Drachenfutter" (1987), "Winckelmanns Reisen" (1990) und "Auf Wiedersehen Amerika" (1993) hat Jan Schütte, geboren 1957, mit "Fette Welt" seinen vierten Kinofilm vorgelegt.Silvia Hallensleben sprach mit dem Regisseur.

Nach "Drachenfutter" (1987), "Winckelmanns Reisen" (1990) und "Auf Wiedersehen Amerika" (1993) hat Jan Schütte, geboren 1957, mit "Fette Welt" seinen vierten Kinofilm vorgelegt.Silvia Hallensleben sprach mit dem Regisseur.

TAGESSPIEGEL: "Fette Welt" spielt in der Münchner Obdachlosenszene.Was hat Sie an dem Milieu interessiert?

SCHÜTTE: Sachen, die an der Peripherie spielen, finde ich spannender als die, die sowieso schon im Zentrum der Wahrnehmung stehen.Das ist eine Welt, die ist dramatisch, hart, unmittelbar, extrem und direkt nebenan.Und, wir nehmen sie eigentlich nicht wahr, das motiviert nochmal doppelt.

TAGESSPIEGEL: Helmut Kraussers Roman spielt in den Achtzigern, Ihr Film ist in den Endneunzigern angesiedelt.

SCHÜTTE: Das Klima ist viel schärfer geworden seitdem, die Angst, da tut sich eine Luke unter einem auf und darunter ist nichts mehr.Der Romanheld lebt einen Sommer auf der Straße, zum Vergnügen.Das wäre heute eine fast zynische Haltung.

TAGESSPIEGEL: Trotzdem haben Sie sich für einen Protagonisten entschieden, dessen Berber-Dasein aus einer freiwilligen Antihaltung resultiert.

SCHÜTTE: Ob er das so freiwillig gemacht hat, sei dahingestellt.Hagen ist einer, der sich allem verweigert, eine Haltung, die sehr präsent ist im Moment.Einer, der sich verschließt und irgendwann aufbricht.Aber es hat auch etwas mit Jürgen Vogel zu tun.Ich konnte mir nur ihn in dieser Rolle vorstellen, und er hat sie sehr geprägt.

TAGESSPIEGEL: Biographische und soziale Hintergründe der Figuren sind fast völlig ausgespart.Warum gönnen Sie Ihren Helden keine Geschichte?

SCHÜTTE: Das war eine Entscheidung: Den Ist-Zustand zu zeigen.Die Konstellationen sind ja immer sehr ähnlich - Scheidung, Arbeitslosigkeit, Alkohol -, was nicht heißen soll, daß die Geschichten immer gleich sind.Aber eine verkürzte Sozialbiographie wird schnell zum Stempel.

TAGESSPIEGEL: Sie haben sich immer eher abseits vom deutschen Mainstream gehalten.Der interessiert sich jetzt mehr und mehr für soziale Themen, und Sie arbeiten erstmals mit einem Star.Ein Trend im deutschen Film oder eine Bewegung ihrerseits?

SCHÜTTE: Der Trend zum Pennerfilm (lacht).Ich bin jetzt der Mainstream, immer vorne weg.Nein, ich glaube eher, die Filmemacher entdecken wieder, daß es einen Raum für intelligente Unterhaltung gibt.Filme, die einen auch nach dem Kino noch beschäftigen und trotzdem Spaß machen.

TAGESSPIEGEL: Die Obdachlosenszene unter der Wittelsbacher Brücke gibt es in München wirklich.Haben Sie dort gedreht? Wie haben Sie mit Ihrer Produktion in die Realität eingegriffen?

SCHÜTTE: Wir haben die Wittelsbacher Brücke 500 Meter entfernt, unter der Reichenbachbrücke, komplett nachgebaut - sonst hätten wir die Armen, die da übernachten, herausmanövrieren müssen.Wir wurden genau kontrolliert von den Obdachlosen, ob auch anständig gebaut wird bei uns.Man darf die Frage der Ausstattung nicht unterschätzen.Es darf nicht eins zu eins sein, das ergibt nur Durcheinander, aber auch nicht künstlich gestylt aussehen.Zum Beispiel: Wenn Sie Penner im Fernsehen sehen, tragen die immer dunkle Mäntel, dunkle Schals etc.Dabei sind Penner doch eher bunt angezogen und auch originell, die haben einen eigenen Stil.Wir haben also Kleider getrödelt und in einem Raum deponiert und dann die Schauspieler für eine Minute reingeschickt.Die sollten sich so anziehen, als müßten sie den Winter unter der Brücke schlafen.

TAGESSPIEGEL: Drehort München: Wollten Sie die Schicki-Metropole von der anderen Seite zeigen?

SCHÜTTE: Ich hätte das von mir aus eher in Berlin gemacht.Aber der Roman spielt in München, es war eine Münchner Produktion, und ich bin dem gefolgt.Allerdings fand ich es im nachhinein spannender, vielleicht auch bezeichnender, den Film in München zu realisieren, das ja noch sehr deutsche Züge hat.Da wird das Stadtbild noch von Pennern gereinigt, in Berlin tut sowas keiner mehr.

TAGESSPIEGEL: Ihre bisherigen Spielfilme haben Sie vorwiegend selbst produziert."Fette Welt" nun wurde von einer der größten deutsche Produktionsfirmen, Senator, realisiert.Was bedeutet das für ihre Arbeit?

SCHÜTTE: Ich bin zwar am Schluß Koproduzent geworden, aber es war als Auftragsproduktion angedacht.Für mich hatte das große Vorteile, weil ich von den Nöten der Finanzierung befreit war.Es war eine sehr positive Erfahrung.Ich habe meine Handschrift verwirklichen können.Und es hat Spaß gemacht, zu streiten.Früher war es Pandora, dann der WDR, die diese Rolle übernommen haben.Jetzt war es eben Günther Rohrbach.

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