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Pergamonmuseum: Die drei Leben von Tell Halaf

Ein Geduldsspiel der besonderen Art, ein 3-D-Puzzle, bei dem man nicht sicher sein kann, ob alle Teile vorhanden sind. So oder ähnlich beschreiben die fünf Wissenschaftler und Restauratoren die immense Aufgabe, die sie in den ehemaligen Arbeitshallen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin-Friedrichshagen stemmen.

Ihren anspruchsvollen Auftrag nehmen sie offensichtlich mit Humor. Sie haben gut lachen, denn nach knapp drei Jahren kann das kleine Team des Pergamonmuseums bereits erstaunliche Ergebnisse vorweisen. Von den rund 25000 Einzelstücken sind bereits 17000 identifiziert und großteils zusammengesetzt. Was vorher niemand zu hoffen wagte: Ein Meisterwerk der alt-orientalischen Kunst entsteht wieder neu, die Palastfassade von Guzana, dem heutigen Tell Halaf in Syrien, beginnt ihr zweites, eigentlich drittes Leben in der Neuzeit.

Insofern hat der Ortstermin in den Restaurierungswerkstätten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz etwas von „Baby-Watching“. Stiftungspräsident Klaus-Dieter Lehmann, Günther Schauerte als stellvertretender Generaldirektor der Staatlichen Museen und Beate Salje als Chefin des Vorderasiatischen Museums präsentieren stolz ihr Prachtexemplar der späthethitischen Phase. Die Monumentalskulpturen, die vor 3000 Jahren die Besucher des aramäischen Fürstensitzes Guzana empfingen, sollen nach ihrer Fertigstellung den Eingang zum Vorderasiatischen Museum markieren. Nach Ischtar-Tor und Prozessionsstraße gewinnt das Pergamonmuseum damit ein weiteres Architekturelement hinzu, durch das Bau und Ausstellung miteinander verschmelzen und zum authentischen Erlebnisraum werden.

Noch kann man nur erahnen, wie es ist, einen solches Entree zu durchschreiten, einen riesenhaften Wettergott zu passieren, der platziert ist auf einem Stier und den seine Gemahlin und sein Sohn rahmen, die auf Löwen stehen. Denn noch sind aberhunderte Bruchstücke auf dem Boden ausgebreitet, und die zwei Tonnen schweren Skulpturen wirken durch die vorsichtige Zusammensetzung geradezu fragil.

In vier Jahren soll das Projekt abgeschlossen sein; allerdings wird sich das Pergamonmuseum dann noch im Umbau befinden. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz will deshalb die kostbaren Objekte für zwei bis drei Jahre auf Reisen schicken, um sie der Welt zu zeigen. Sie steht dazu in Verhandlungen mit dem Louvre in Paris, dem British Museum in London und dem Metropolitan Museum in New York. Ähnlich wie bei der Generalsanierung der Alten Nationalgalerie sollen die sensationellen Bildwerke nicht im Depot verschwinden, sondern der Öffentlichkeit erhalten bleiben.

Eine der bemerkenswertesten archäologischen Episoden käme damit zum guten Ende. Durch Zufall entdeckte der Bankierssohn, Jurist und Diplomat Max von Oppenheim im Jahre 1899 bei der Bauplanung der Bagdad-Bahn die Überreste des antiken Fürstensitzes, den er erst elf Jahre später ausgraben sollte. Schon damals waren große Teile zerstört, weitere nach Oppenheims Wiederentdeckung vernichtet worden. Der Hobby-Ausgräber ließ sich nicht entmutigen, schaffte bis 1928 wichtige Elemente nach Berlin, wo er sie vorläufig in einer Fabrikhalle unterbrachte. Seinem privaten Tell-Halaf-Museum, in dem er die Objekte durch einen Bildhauer rekonstruieren ließ, war nur kurze Dauer beschieden. 1943 sprengte eine Bombe die Skulpturen in tausend Stücke; der edle Schutt kam zur Sicherung in die Keller des Pergamonmuseums, wo man sich ihm erst wieder nach der Wende widmete und nun das Unglaubliche wagt. „Insofern sind wir doch gut in der Zeit“, scherzt der ebenfalls nach Berlin gekommene Neffe Christopher Freiherr von Oppenheim. Auch er hat gut lachen. Das Kölner Bankhaus seiner Familie und die nach dem Onkel benannte Stiftung geben Gelder, damit dieses ungewöhnliche Erbe seine Bestimmung erhält.

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