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Liebe auf Kölsch. Tamer Jandalis Eröffnungsfilm "Easy Love" dokumentiert die Beziehungsexperimente von sieben Kölnern.

© Janis Mazuch

Perspektive-Filme bei der Berlinale 2019: Party, Polyamorie und Pillen

So körperlich ging es bei der Berlinale lange nicht mehr zu: Die Perspektive-Filme fühlen den Liebespuls der Millennials. Ein Überblick.

Oha, geht es auf der Leinwand rund. Der Sex ist zurück. Falls er denn jemals weg war. Gleich mehrere Filme der dem Filmnachwuchs gewidmeten Perspektive Deutsches Kino schließen an den Hedonismus der Neunziger an, an die freizügige Dekade nach dem Mauerfall, als Loveparade und Techno groß wurden, fröhlich Koks, Pillen und Alk konsumiert wurden und die Nacktparty kein Ende zu nehmen schien. So explizit körperlich wie in der 18. Ausgabe ist es in der nunmehr volljährigen Sektion lange nicht zugegangen. Der Eröffnungsfilm "Easy Love" von Tamer Jandali wartet nicht nur mit Beziehungsexperimenten, sondern auch mit dem formalen Wagnis eines „dokumentarischen Spielfilms“ auf, in dem sich sieben Kölner Frauen und Männer selber „spielen“.

Berliner Drifter auf der Suche nach Liebe, Sinn und Selbsterfahrung zeigen die Dreiergeschichte "Heute oder Morgen" von Thomas Moritz Helm und Simona Kostovas Nachtstück "Dreissig". Darin feiert eine Neuköllner Clique geradezu verzweifelt durch die Nacht eines 30. Geburtstags. Die unsicheren Blicke aus roten Augen, mit denen sich die Truppe morgens in einem Backshop wiederfindet, verleiht dem Katerfrühstück eine ganz eigene menschliche Dimension. Und die Doku "Berlin Bouncer" ist den Dompteuren des Partyvolks, drei Berliner Türstehern, gewidmet.

Viele Abschlussarbeiten, wenig Experimente

Das Kreisen ums Ich gehört genau wie die Ehe- und Familienkonflikte, die in "Die Einzelteile der Liebe", in "Off Season" oder in dem Religionsdrama "Oray" von Mehmet Akif Büyükatalay erzählt werden, zur Kernkompetenz der Perspektive. Viele der zwölf Filme, die von drei Gastbeiträgen ergänzt werden, sind Abschlussarbeiten. An den Filmhochschulen ist das Budget knapp, der Produktionsradius begrenzt. Genreabenteuer sucht man hier vergeblich.

Da ist es umso schöner, dass die internationale Absolventenschar in Köln, Babelsberg oder Berlin den Horizont weitet. Die Doku "Die Grube" von Hristiana Raykova führt in ein Schwimmbecken in Varna, das Drama "Dust" von Udita Bhargava nach Zentralindien. Und Maryam Zaree sucht in "Born in Evin" nach ihrer Herkunft in einem iranischen Gefängnis. Ein Egotrip, der zum universellen Drama wird.

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