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© dpa

Peter Maffay: "Eine große Klappe bringt nichts"

Deutschlands erfolgreichster Sänger wird 60 – ein Gespräch mit Peter Maffay über Kunst, Kitsch und Kontinuität.

Geboren wird er am 30. August 1949 in Siebenbürgen, Rumänien. Da heißt er noch Peter Alexander Makkay. Im Sommer 1970 hat er seinen ersten Nummer-1-Hit. Jetzt heißt er Peter Maffay und sagt „Du“ so verträumt-energisch wie kein anderer. Maffay wird vom Schlagerboy zum Hymnensänger, ob es um den ersehnten Abschied von der Jungfräulichkeit geht („Und es war Sommer“, „Josie“) oder um deutsch-deutsche Gefühle („Über sieben Brücken musst du gehn“). In den Achtzigern wandelt er sich zum deutschsprachigen Rockmusiker, füllt die Stadien und setzt das grüne Drachen-Märchen von Tabaluga in die Welt. Bis heute hat Peter Maffay 40 Millionen Tonträger verkauft. Er lebt in Bayern und auf Mallorca und arbeitet für sein Kinderhilfswerk. Wir treffen uns bei Random House in München, im Raum „Elvis“.

Herr Maffay, Sie hatten 1970 mit „Du“ einen Traumstart, waren über Nacht berühmt. Ahnten Sie damals, worauf Sie sich einließen? Ihr Biograf Edmund Hartsch beschreibt die heile Schlagerwelt der Siebziger als ein sehr enges Haifischbecken.

Viele junge Musiker haben so angefangen wie ich. Jeder hatte seine kleine Lobby, man versuchte, Segmente im Markt zu besetzen, und schon ging das Hauen und Stechen hinter den Kulissen los, während man sich an der Oberfläche herzte und verbrüderte. Es war wie in einer Familie. Einmal im Monat begegnete man sich bei der ZDF-„Hitparade“ mit Dieter Thomas Heck. Jeder Auftritt schlug sich im Umsatz nieder, wenn das Lied halbwegs in Ordnung war. Es gab zu der Zeit ja kaum Musiksendungen. Es ging um Kohle.

Wir feiern 40 Jahre Woodstock: Musiker wollten damals noch die Welt verändern.

Nicht im Schlagergeschäft. Da wurde vor allem das Bankkonto verändert. Eine unheimliche Eitelkeit war im Spiel, man musste zeigen, was man hatte. Die Rockmusik hatte ganz andere Parameter, da waren andere Typen unterwegs, die englische Sprache hatte eine gewaltige Tragweite.

Sie haben Ende der Sechziger in Münchner Clubs Dylan-Songs nachgespielt. Sie träumten von einer Rockkarriere?

Bis ich mit „Du“ auf ein ganz anderes Schiff gestiegen bin. Hätte ich „Blowin’ in the Wind“ aufgenommen, kein Hahn hätte in Deutschland danach gekräht. Musik war mein Traum – ein Leben frei von Fremdbestimmung, mit meiner eigenen Perspektive. Mein Rüstzeug für ein bürgerliches Leben war denkbar schlecht, ich hatte kein einziges Zeugnis in der Tasche und auch keine Lust auf normale Arbeit. Deshalb musste ich einen Schallplattenvertrag haben. Dafür hätte ich alles gesungen. Und ich glaube heute, dieser Weg war nicht so schlecht.

Es gab damals viel schlechtere Schlager.

Absolut. Ich selbst habe schlechtere Sachen gesungen. Aber „Du“ ist eine Mörderkomposition – und als plötzlich der Erfolg kam, meinten die Leute in meinem Umfeld, so machen wir jetzt immer schön weiter. Damit begannen die Verwerfungen.

Fühlten Sie sich in Hecks „Hitparaden“-Reich als ein Fremder?

Damals und auch später, in anderen Situationen, hat mich diese Form von Prostitution gestört. Also, wie sülze ich jemanden ein, wie weit gehe ich, um auf Biegen und Brechen zu gefallen? Das war zum Teil sehr eklig und schmierig.

Sie mussten durch die „Hitparaden“- und „Bravo“-Mühle. Was empfinden Sie, wenn Sie heute junge Menschen in Superstar-Castingshows sehen?

Es gibt da extrem talentierte junge Leute. Und es gibt diese Routiniers, die mit all ihrer Erfahrung und ihrer Macht in einer Art und Weise ihr Urteil fällen, die unter der Gürtellinie ist. Das finde ich grauenhaft – wenn man auf Kosten von unerfahrenen, verletzbaren, enthusiastischen Youngsters Quote machen und sich profilieren will. Es gibt bessere Möglichkeiten, jemanden aufzubauen.

Viele Schlagersänger haben nachher fürchterlich Schiffbruch erlitten. Roy Black und Rex Gildo starben unter dramatischen Umständen, die meisten sind vergessen. Ein gefährliches Geschäft. Wie haben Sie sich da herausgezogen?

Einige Leute haben mich gepusht, und irgendwann habe ich auch wieder mit einer Band gespielt. Ich ging viel in Konzerte, lernte Underground-Musiker kennen. Es war nicht einfach, schon allein wegen der Verträge, sich von den Schlager-Strukturen abzunabeln, von dem Netzwerk, das man aufgebaut hatte. Anwälte rieten sanft von der Revolte ab, Leute in der Plattenfirma warnten: Das werden dir die Fans niemals verzeihen! Man brauchte starke Argumente.

Rockmusik mit deutschen Texten war damals noch keine Selbstverständlichkeit. Sahen sie sich als Pionier?

Udo Lindenberg hat für viele diese Tür aufgemacht, dafür muss man ihm bis heute dankbar sein.

Vom verträumten Schlagerjungen zum Rocker auf dem Motorrad, das war ein deutlicher Imagebruch. Und immer wieder neue Musiker, neue Texter, ein neues Erscheinungsbild. Ist der beständige Wechsel Ihr Programm, Ihr Credo?

Ich wurde mehr und mehr auch ein Bandmitglied, spielte Rhythmusgitarre, und bei den Aufnahmen zum „Steppenwolf“-Album haben wir dann den Produzenten rausgeschmissen. Es wurde unser erstes Nummer-1-Album. Kreative Partnerschaften nutzen sich ab, ich suchte immer nach Erneuerung, vielleicht auch nur aus egoistischen Gründen.

Seltsamerweise machen Sie bis heute einen bescheidenen Eindruck.

Es bringt nichts, eine große Klappe zu haben. Es führt weg von der Natürlichkeit. Diese unglaublich wichtigen Kollegen, die dann ihre Situation psychisch nicht verkraftet haben, mögen ein warnendes Beispiel sein. Man muss sich positionieren, aber das ist etwas anderes, das ist man sich und seinen Fans schuldig. Man sollte sich aber nicht ein allzu hohes Podest zimmern. Elvis Presley sah mal ungeheuer gut aus, und wie ist er missbraucht worden, was wurde aus ihm! Ich fand Elvis sensationell, und es hat mich tief berührt, seine letzten Shows zu sehen – wie er gekämpft hat mit seinem eigenen Bild.

Was war Ihr übelster Absturz?

Als Vorgruppe der Rolling Stones, es war 1982, erlebten wir unser Waterloo. Wir haben den Mund eindeutig zu voll genommen: Vorband der Stones, klar, machen wir! Ich war damals noch nicht so weit und habe meine Fähigkeiten falsch eingeschätzt.

Sie wurden in den Stadien ausgebuht und mit Obst und Gemüse beworfen. Ihr softes Schlagerimage hatte Sie eingeholt.

Wir spielten die falschen Songs und wussten auch noch nicht, mit einer solch großen Publikumsmenge umzugehen.

Haben Sie daraus gelernt?

Diese Erfahrung hat mit dazu beigetragen, dass wir nachher eine so gute Zeit hatten. Und immer noch haben. Wenn das damals nicht passiert wäre, wären wir größenwahnsinnig geworden. Wir verkauften tonnenweise CDs und dachten, alles ist möglich. Wir hatten einfach nicht die Rotzigkeit und Arroganz angloamerikanischer Rockstars.

Später hat Clarence Clemons, der Saxofonist von Bruce Springsteen, auf einem Ihrer Alben gespielt. Waren Sie nervös?

Damals hatten wir diese Ehrfurcht noch. Heute würde ich sagen: Wir essen gleich, wir weinen gleich, da bin ich jetzt ruhiger. Aber als Clarence mit seinen zwei Metern in unser Studio kam und zu spielen anfing, war das schon eine andere Dimension. Diese Fähigkeit, sich so eindrucksvoll zu verkaufen, haben wir lange nicht beherrscht. Nina Hagen oder Udo Lindenberg, die hatten das auch drauf – sich zu verkaufen, ohne sich zu prostituieren.

Nina Hagen kam ganz schnell ganz groß heraus, und dann wurde sie auch ebenso schnell zu einer traurigen Figur.

Kontinuität ist eine Kunst und oft eine Frage der Umgebung. Welche Strukturen hat man zur Verfügung, worauf kann man sich stützen, wer umgibt einen mit welcher Kompetenz? Als ich Anfang der Achtziger in Tutzing mein eigenes Studio einrichtete, gab es viele Zweifler. Aber ich konnte dort immer spielen, proben, Musik machen, nach meinen Vorstellungen, und wenn ich heute in dieses Studio gehe, das schon seine eigene Geschichte hat, dann kann ich sagen, es war richtig, sich damals seine eigene Burg gebaut zu haben. Die hat uns auch mit am Leben erhalten. Viele haben so etwas nicht – die Verantwortung für die eigenen Konzepte. Ich habe viel Freude daran, mich morgens um sieben oder acht an meinen Schreibtisch zu setzen.

Arbeit ist die stärkste Droge?

Total. Ich stehe auf Arbeit. Arbeit ist geil.

Über vier Jahrzehnte Ihrer Karriere geblickt, sind Sie in den Medien eigentlich immer gut behandelt worden. Können Sie sich das erklären?

Ach, ich habe schon einiges abbekommen, das meiner Eitelkeit wehtat. Aber Sie haben recht, es ist im Grunde gut gelaufen. Erdgeschichtlich betrachtet, ist das alles sowieso nicht relevant.

In Ihrer Biografie sagen Sie: Ein Künstler hat die Verpflichtung, Glück zu schenken, Gutes zu tun. Wie kamen Sie zu Ihrem Engagement für Kinder in Not?

Ich bin stark beeinflusst durch meinen Freund, den großen Impresario Fritz Rau. Er hat immer von Verantwortung gesprochen, er strahlte eine große Wärme aus. Und dann war es natürlich die Tabaluga-Figur, die wir vor 25 Jahren erfunden haben. Sie begleitet uns, sie schaut uns auf die Finger, sie erinnert uns an menschliche Werte. Tabaluga ist wie ein guter Geist aus der Flasche, er verlässt uns nie. Der Schutzraum für Kinder in Tutzing, der Wiederaufbau einer Kirche in meiner rumänischen Heimat, all das sind extrem spannende Aufgaben, die uns Motivation und Kraft geben. Letzte Nacht haben wir über Wasserversorgung und medizinische Hilfe geredet. Vor dreißig oder vierzig Jahren hatte ich nicht im entferntesten geahnt, dass ich mich als Musiker einmal mit solchen Themen beschäftigen würde.

Das Gespräch führte Rüdiger Schaper. Bei C. Bertelsmann ist zum 60. Geburtstag die Biografie erschienen: „Peter Maffay – Auf dem Weg zu mir“ von Edmund Hartsch. 415 Seiten, 24,95 Euro.

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