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Kultur: Peymann und seine Gesellen

"Shakespeare dringend gesucht", der Titel eines alten, längst vergessenen Lustspiels von Heinar Kipphardt, gewinnt eine neue Aktualität: Autoren, bitte melden!Stücke, ruhend in der Schublade oder quellend aus der Feder, sind in zweifacher Ausfertigung zu senden ans Wiener Burgtheater respektive ans Berliner Ensemble, zu Händen von Herrn Claus Peymann.

"Shakespeare dringend gesucht", der Titel eines alten, längst vergessenen Lustspiels von Heinar Kipphardt, gewinnt eine neue Aktualität: Autoren, bitte melden!Stücke, ruhend in der Schublade oder quellend aus der Feder, sind in zweifacher Ausfertigung zu senden ans Wiener Burgtheater respektive ans Berliner Ensemble, zu Händen von Herrn Claus Peymann.Bei keinem anderen Intendanten dürfen sie auf soviel freundliche Aufnahme und pflegliche Behandlung hoffen wie bei ihm, der im nächsten Jahr von der Donau an die Spree wechselt, wo ihn zwar ein kleineres Haus erwartet, aber keine kleineren Aufgaben.Günter Gaus hat sie, am Mittwoch abend in seiner Fernsehreihe "Zur Person", in eine große Frage gefaßt: "Planen Sie ein neues Deutsches Nationaltheater für die Berliner Republik?" Ein Anspruch, der den Gesprächspartner weder zusammenzucken ließ noch vom Sessel reißen konnte.Mit verbindlichem Lächeln antwortete Claus Peymann zunächst einigermaßen vorsichtig, man wolle etwas finden, das zu diesem Haus passe, zu seinen Säulenheiligen Bert Brecht und Heiner Müller, griff dann aber doch zu einem so gewichtigen Begriff wie "Nationalliteratur" und kam zu dem Schluß: "Die neuen Autoren, die Zeitgenossen sollen dort zum Ensemble gehören."Peymann will also fortsetzen, was er schon in Stuttgart, Bochum und vor allem Wien praktiziert hat; er bekennt sich dazu, einer jener Theatermacher zu sein, "die sich in den Dienst der Dichtung stellen".Der politische Feuerkopf ist, ästhetisch gesehen, nach eigener Einschätzung "ein Konservativer".Und es berührt ungemein sympathisch, wie er, in jenem Gespräch mit Gaus, über sein Verhältnis zu dem Autor spricht, der mit siebzehn, achtzehn Uraufführungen "der wesentliche Teil meiner Theatergeschichte ist": Thomas Bernhard.Literatur, "die höhere Kunst", hat sich für ihn in Bernhard personifiziert, Adressat "einer gewissen Ehrfurcht, wie ich sie auch Peter Handke gegenüber habe".Der Dichter als "Kritiker", der Regisseur als "Zuhörer" - Peymann, schlicht: "Ich habe Thomas Bernhard gefallen wollen."Bernhard, Handke, dann Peter Turrini, Elfriede Jelinek, lauter Österreicher: Peymanns Hausautoren an der Burg.Und was ist mit dem Verfasser der "Hypochonder", dessen Debüt er 1972 in Hamburg uraufgeführt hat? Ihre Wege haben sich getrennt, doch mag sich das am Berliner Ensemble wieder ändern: "Ich hoffe, daß auch die Stücke von Botho Strauß dabei sind." Der neue BE-Direktor, der von sich sagt, er sei "ein optimistischer Typ", wird seine Absicht, den Brecht-Müller-Tempel gründlich zu renovieren, "unruhiger, lebendiger, farbiger", nur verwirklichen können, wenn er so tüchtige Mitstreiter findet wie seine alten Weggefährten, seien es Schauspieler oder Autoren, eben "Dichter und ihre Gesellen", um abermals einen Titel zu zitieren, diesmal den des Romans von Joseph von Eichendorff - auch er spielt in der Theaterwelt. G.G.

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