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Kultur: Pfannkuchen mit Ahornsirup

Thomas Mann in Amerika – eine Studie

„Wo ich bin, ist die deutsche Kultur“, soll der Emigrant Thomas Mann im Frühjahr 1938 nach seiner Ankunft in den USA gesagt haben. Und bei allem, was er in folgenden Jahrzehnten schrieb – sei es der Abschluss der „Joseph“-Bände, „Lotte in Weimar“ oder „Doktor Faustus“ –, sollte es um Deutschland gehen. Gleichzeitig hatte er die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragt und sie 1944 in Los Angeles erhalten. War er dann überhaupt noch Emigrant oder hatte er eine neue Heimat gefunden? Über diese Frage wird bis heute gestritten. Die einen warfen dem deutschen Nobelpreisträger vor, dass er zu lange und „opportunistisch“ gezögert habe, sich offiziell gegen Hitler zu engagieren, die anderen betrachteten sein späteres „Broadcasting“ im Sinne Roosevelts als „Verrat“ an Deutschland.

Mit einer materialreichen Studie versucht der in Massachusetts lehrende Germanist Hans Rudolf Vaget nun das Bild von „Thomas Mann, dem Amerikaner“, wie es „bei den deutschen Literaturfreunden“ teilweise heute noch bestehe, als ein von Mutmaßungen und Ressentiments „überwuchertes Phantom“ zu decouvrieren. Es geht ihm nicht um die Verifizierung von propagandistischen Bekenntnissen in Radio-Interviews oder der Beschreibung von neu gewonnenen Vorlieben für „pancakes with maple-syrup“, Zigarettenmarken wie „Edgeworth“ und Schlager von Noel Coward, sondern um die Auseinandersetzung mit der nach 1945 in unterschiedlichen Lagern geäußerten Vermutung, hinter der amerikanischen Staatsbürgerschaft habe sich Thomas Manns „unpolitische“ Haltung verstecken können.

Dem hält Vaget entgegen, dass Thomas Manns politischer Reifeprozess sich in der Erkenntnis gezeigt habe, das Engagement gegen Hitler nicht bloß als eine deutsche Angelegenheit zu betrachten, sondern als eine „Entscheidungsschlacht der Menschheit“. Vermutlich war für diesen Reifeprozess der Umgang mit amerikanischen Kollegen wie Walt Whitman, Sinclair Lewis oder Upton Sinclair fruchtbarer als die Diskussionen mit seinem Bruder Heinrich oder mit Bertolt Brecht.

Die meisten deutschen Exilanten mochten Thomas Manns ostentatives Bekenntnis nicht teilen, sein Deutschtum sei „in dem kosmopolitischen Universum, das Amerika heißt, am richtigsten untergebracht“. Doch Heimat ist Amerika auch für Thomas Mann nicht geworden . Es lag nicht nur an Mc Carthy, wenn er zwei Wochen vor seiner Abreise ins Tagebuch schrieb: „Tief angewidert von dem Treiben in diesem Gangsterland. Aber wohin? In Europa wird die Macht Deutschlands unaufhaltsam wachsen und auch die Schweiz schwer bewohnbar machen…“ Willi Jasper









— Hans Rudolf Vaget:
Thomas Mann,

der Amerikaner.

S. Fischer,

Frankfurt/Main 2011

585 Seiten, 24,95 €

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