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Kultur: Pflegeversicherung: Pflegefall Rente

Horst Seehofer wittert Morgenluft. Der Chef-Sozialpolitiker der Union hat sofort erkannt, welch unverhoffte Möglichkeiten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pflegeversicherung der Opposition bietet.

Von Robert Birnbaum

Horst Seehofer wittert Morgenluft. Der Chef-Sozialpolitiker der Union hat sofort erkannt, welch unverhoffte Möglichkeiten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pflegeversicherung der Opposition bietet. "Wir können der Bundesregierung nur dringend empfehlen, dass sie die Rentenreform stoppt", sagt der CSU-Politiker. Hatte tags zuvor CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer noch den Eindruck erweckt, die Union gebe sich im Streit um die Rentenreformpläne der Regierung geschlagen, weil sie im Bundesrat sowieso keine Blockademehrheit hinbekommt, stimmt Seehofer jetzt ganz andere Töne an: "Wir werden erbittert dagegen kämpfen, dass die Regierung ein Gesetz verabschiedet, das schon jetzt Makulatur ist."

Zum Thema Stichwort: Pflegeversicherung Dokumentation: Die wesentlichen Passagen des Urteils im Wortlaut Wieder einmal wirbelt ein Karlsruher Urteil die Politik durcheinander. Eigentlich ging es in dem jetzt entschiedenen Rechtsstreit nur um die Frage, ob in der Pflegeversicherung Familien im Vergleich zu Kinderlosen oder Singles ungerecht behandelt werden. Sie werden, entschied der Erste Senat und erklärte die Pflegeversicherung in etlichen Punkten für verfassungswidrig. Wer Kinder großzieht, müsse künftig bei den Beiträgen entlastet werden. So möchten die Richter die Benachteiligung von Eltern ausgleichen, die ihr Geld eben nicht komplett selbst ausgeben oder fürs eigene Alter auf die hohe Kante legen können.

"Zwar werden Kinderlose mit ihren Beiträgen auch zur Finanzierung des Pflegerisikos von beitragsfrei mitversicherten Ehegatten und Kindern herangezogen. Das wiegt jedoch den Vorteil der kinderlosen Versicherten zu Lasten derjenigen nicht auf, die zur Abdeckung des Pflegerisikos aller im Alter für die zukünftigen Beitragszahler sorgen", entschieden die Richter. Auf gut Deutsch: Wer Kinder großzieht, tut damit etwas für alle Versicherten, und das muss die Solidargemeinschaft finanziell würdigen. Dieser Grundsatz gilt ausdrücklich für die Pflegeversicherung; er gilt aber auch für die Renten- und die Krankenversicherung.

Zwar meint Sozialminister Walter Riester (SPD) noch tapfer: "Es gibt keine Veranlassung, die Rentenreform zu ändern." Aber solche Sätze hat Riester schon oft gesagt und dann doch zurücknehmen müssen. Der CSU-Sozialpolitiker Johannes Singhammer ist jedenfalls überzeugt: "Damit schwebt die Abrissbirne über der Rentenreform." Nach diesem Urteil sei es unvermeidlich, Eltern bereits während der Kindererziehung bei den Rentenbeiträgen zu entlasten und ihnen die Erziehungsleistung nicht erst anzurechnen, wenn sie selbst schon Rentner sind.

Aus den unionsregierten Ländern wird prompt zum Sturm geblasen. "Nach dem Urteil halte ich es für ausgeschlossen, dass die Regierung ihre Position im Vermittlungsausschuss aufrecht erhält", sagt CSUChef Edmund Stoiber. Auch sein hessischer Ministerpräsidenten-Kollege Roland Koch (CDU) frohlockt: Demnächst werde in Karlsruhe ja auch noch die Gerichtsentscheidung über die Besteuerung von Renten fallen, und die könne dann "alles auf den Kopf stellen". Der Regierung schwant das auch. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sagt zwar, das Urteil habe sie nicht überrascht. Erfreut hat es sie aber nicht: "Ich hätte mir gewünscht, dass es so bleibt, wie es ist."

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