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Sänger und Produzent Pharrell Williams

© dpa

Pharrell Williams live in Berlin: Ode an die Frauen

In der Berliner Max-Schmeling-Halle präsentierte Pharrell Williams eine lässige Werkschau: von frühen Neptunes-Hits über krawallige N.E.R.D.-Songs bis zum Konfetti-Finale mit "Happy".

Den schwarzen Designerpulli zieht Pharrell Williams schon nach einem Lied wieder aus. Zum Vorschein kommt ein weißes Schlabber-Shirt mit diversen Löchern, deren Position und Durchmesser wahrscheinlich ebenfalls von einem Stardesigner festgelegt wurden. Das soll punkig wirken, die Vorderseite ziert zudem ein verwaschenes Schwarz-Weiß-Foto von Patti Smith zu sehen. Sie trägt darauf einen ähnlichen Hut wie Pharrell an diesem Abend in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Sicher würde die New Yorkerin über das Outfit des Kollegen milde lächeln. Ihre Klamotten haben auch manchmal Löcher, die allerdings garantiert nicht von Designern stammen.

Das Patti-Bild, über dem Pharrell einige lange Ketten trägt, ist Teil seiner demonstrativen Frauen-Verehrung. Immer wieder hat der 41-Jährige betont, dass er lieber mit Frauen zusammenarbeite, weil er ihre Sensibilität schätze. Deshalb seien die meisten seiner Angestellten weiblich. Er ist Pro-Choice-Befürworter, glaubt, dass Hillary Clinton die nächste US-Präsidentin wird und hofft, dass es irgendwann 75 Prozent weibliche Staatschefs gibt. Konsequenterweise hat er sein zweites Solo-Album „Girl“ genannt und es als „Ode an die Frauen“ konzipiert.

Pharrell, so ganz unmachohaft und unobszön

Natürlich kann man das platt und essentialistisch finden oder sich fragen, wie weit es mit Pharrells Feminismus angesichts seiner Beteiligung an Robin Thickes sexistischem Hit „Blurred Lines“ her ist. Misst man ihn an seiner „Dear Girl“-Tour, fällt auf, wie unmachohaft er agiert und wie unobszön es ansonsten zugeht. Das ist sehr angenehm – nicht nur für die Eltern der jungen Fans, die sich keine Gedanken über die Jugendfreiheit der Show machen müssen. Die Texte verstehen die Kids ja noch nicht, und in Sachen sexy Gepose geht es während der gesamten 90 Minuten nie über eine kurze kräftige Arschwackel-Einlage von einer der fünf Tänzerinnen hinaus. Die Ladys treten im Achtziger-Jahre-Fitness-Look auf und haben die Bühne sogar mal für sich allein. Jede darf ein kurzes Solo hinlegen, zu dem groß ihr Name eingeblendet wird. Pharrell Williams verbeugt sich anschließend vor jeder einzelnen von ihnen. Weil er es langsam und bedächtig tut, nimmt man ihm diese Ehrerbietung tatsächlich ab.

Überhaupt zeigt sich der Mann aus Virginia Beach extrem lässig und unaufgeregt. Er schlendert falsettsingend an der Bühnenkante herum, klettert auf die Podeste, feuert das Publikum an oder lässt die Hüften zwischen den beiden Backgroundsängerinnen kreisen. In die Choreografien der Tänzerinnen steigt er allerdings nicht ein. Wäre wohl zu anstrengend. Pharrell bleibt stets in seinem mitteldynamischen Modus, macht immer genau so viel, dass er nicht lustlos rüberkommt. Das ist ziemlich sympathisch, bedenkt man, wie erfolgreich er im letzten Jahr war und an wie vielen Hits er als Teil des Produzentenduos Neptunes seit der Jahrtausendwende beteiligt war. Es gäbe wahrlich genug Material, das man auftrumpfend präsentieren könnte. Doch Pharrell entscheidet sich für eine unprätentiöse Werkschau mit Schwerpunkt auf dem im März veröffentlichten „Girl“- Album.

Die Menge hüpft zu "Hot In Here"

Weil er nur eine vierköpfige Band dabei hat, kommt einiges von der Festplatte. Etwa das schicke Breitwand-Streicherarrangement zur Eröffnung der Dancepop-Nummer „Marilyn Monroe“, die sich trotzdem zu einem frühen Höhepunkt des Konzertes entwickelt. Mit „Hot In Here“ schickt Pharrell gleich einen ersten Neptunes-Hit hinterher. Das 2002 für den Rapper Nelly geschriebene Stück funktioniert auch zwölf Jahre später noch einwandfrei. Die Menge hüpft zum Bollerbeat begeistert mit. Und dann ist der Spaß plötzlich schon wieder vorbei. Auch alle weiteren Coverversionen spielt Pharrell Williams in kondensierter Form. Fast so, als scrolle er am Smartphone durch seine Diskografie und klicke gelegentlich mal einen Track an – ach ja, das war eine coole Melodie, eine tolle Synkopierung, was gibt’s noch. Leider ist der Sound bei den älteren Stücken oft so schraddelig, als stamme er tatsächlich aus einem Mobiltelefonlautsprecher. Das mittlere Frequenzspektrum ist – zumindest im hinteren Hallenteil – kaum auszumachen.

Ein bisschen krawallig wird es bei den drei ungekürzten Stücken von Pharrells Crossover-Formation N.E.R.D., für die sein alter Kumpel Shay Haley als Gastrapper auf die Bühne kommt. Bis auf „She Wants To Move“ sind diese Songs zu Recht in Vergessenheit geraten. Speziell die Rock-trifft-Rap-Kombinationen riechen schon ein wenig oll. Der Block, bei dem keine Frauen mitwirken und Pharrell ohne Hut und Schmuck agiert, steht wie ein Fremdkörper im Set. Doch man mag ihm den Exkurs nicht übelnehmen, weil er offenkundig Spaß daran hat, und jemand, der treu zu seinen Jugendfreuden steht, hat ohnehin einen Bonus.

Zum Konfetti-Finale singt Pharrell seinen Megahit "Happy"

Sein Image als netter, integrer Star baut Pharrell an diesem Abend jedenfalls weiter aus. Vor „Drop It Like It’s Hot“ sagt er, dies sei noch Stück „mit dem ich ein bisschen was zu tun hatte“. Was für eine Untertreibung, hat er an dem Song doch mitgeschrieben, mitproduziert und mitgesungen. Snoop Doggs Stimme kommt jetzt aus der Konserve, zu den genial minimalistischen Beats fallen rote Tropfen über die Leinwände. Die Animationen sind auch sonst hübsch anzusehen und eher unaufdringlich. Nichts an dieser Show ist auf Überwältigung oder einen bleibenden Eindruck hin inszeniert. Es geht um kurzweilige Pop-Unterhaltung, wie Pharrell und Band sie etwa bei „It Girl“ vorführen. Zum breiten, entspannten Groove der Rhythmussektion singt er über die Liebe zu einer betörenden Frau, während die E-Gitarre ihre funky Haken schlägt.

Das könnte ewig so weitergehen, aber es fehlen ja noch die Superhits. „Blurred Lines“ wird zum Glück derart kurz gehalten, dass es fast nicht auffällt und vom sich anschließenden „Get Lucky“ quasi überschrieben wird. Leider ist die Gitarre zu leise und der Sound längst nicht brillant genug für dieses Pop-Meisterwerk von Daft Punk. Noch schlimmer wird es bei deren „Lose Yourself To Dance“, das die Band lieblos runterspielt, ohne den Zauber des somnambul sich voranschiebenden Stückes auch nur zu streifen.

Beim großen „Happy“-Finale mit Konfettikanone und knallbunten Grinsekatzen auf den Leinwänden läuft dann wieder alles rund. Und der Gute-Laune-Effekt, der das Lied – neben dem phänomenalen 24-Stunden-Video – so beliebt gemacht hat, stellt sich erstaunlicherweise selbst beim gefühlt tausendsten Hören wieder ein. Komisch nur, dass Pharrell die ganze Zeit so ernst schaut. Ob er gegen „Happy“ inzwischen immun ist?

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