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Pisa-Bericht: Schulen sozial immer ungerechter

Der zweite Pisa-Bundesländer-Vergleich belegt, dass die Herkunft immer stärker die Bildungschancen der deutschen Kinder bestimmt. Insbesondere in Bayern und Sachsen-Anhalt ist die soziale Durchlässigkeit gering.

Berlin - Die soziale Herkunft entscheidet in Deutschland immer stärker über den Schulerfolg eines Kindes. Dies geht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus dem zweiten PISA-Bundesländer-Vergleich hervor, den die Kultusminister an diesem Donnerstag in Berlin vorstellen. Danach hat selbst bei gleichem Wissensstand und Lernvermögen ein 15-jähriger Schüler aus reichem Elternhaus eine vier Mal so große Chance, das Gymnasium zu besuchen und damit das Abitur zu erlangen, wie ein Gleichaltriger aus einer ärmeren Familie.

Insgesamt ist der Wissensvorsprung der 15-jährigen Schüler aus der Oberschicht (Akademiker, Führungskräfte) laut der neuen PISA- Untersuchung im Vergleich dem ersten Test aus dem Jahr 2000 noch deutlich gewachsen. In Mathematik und Naturwissenschaften sind diese Schüler inzwischen Gleichaltrigen aus Arbeiterfamilien im Bundesdurchschnitt mehr als 100 PISA-Punkte voraus - was einem Lernfortschritt von deutlich mehr als zwei Schuljahren entspricht.

Bereits der erste PISA-Test hatte belegt, dass in keinem anderen Industriestaat der Welt das Schulsystem bei der Förderung von Arbeiter- und auch Migrantenkindern so versagt wie in Deutschland.

Auf dem Weg zum Abitur ist in Bayern die Chancenungleichheit besonders stark ausgeprägt. Kinder aus der Oberschicht haben dort eine 6,65 Mal größere Chance, das Gymnasium zu besuchen und die Reifeprüfung abzulegen, als Schüler aus einem Facharbeiterhaushalt. Für diesen Vergleich wurden nur die 15-Jährigen herangezogen, die über gleiche Fähigkeiten in Mathematik und in der Basisqualifikation Lesen/Textverständnis verfügen. In Bayern legen nur 21,6 Prozent eines Jahrgangs das Abitur ab. Im Bundesschnitt sind es 27 Prozent, in einigen Länder über 30 Prozent.

Gleichwohl bescheinigen die PISA-Forscher den bayerischen Schulen, erheblich besser als in anderen Bundesländern Kinder aus bildungsferneren Schichten zumindest zu einem guten Hauptschulabschluss zu führen.

Mit einem Wert von 6,16 kommt Sachsen-Anhalt auf den vorletzten Platz dieses Bundesländer-Vergleichs über Chancengleichheit und soziale Durchlässigkeit. Dabei hatte gerade Sachsen-Anhalt seine reinen Schülerleistungen beim jüngsten PISA-Test erheblich steigern können. Diese Ergebnisse waren von den Kultusministern bereits im Juli veröffentlicht worden. Bundesweit waren dabei Leistungszuwächse nur an den Gymnasien ermittelt worden. Und: Dort, wo die Leistung zunahm, wuchsen auch die sozialen Ungerechtigkeiten.

Ins Auge springt das schlechte Abscheiden von Nordrhein-Westfalen, wo Kinder aus reichen Familien eine 4,35 Mal größere Abiturchance haben. Mit der forcierten Gründung von Gesamtschulen hatte das bevölkerungsreichste Bundesland versucht, den engen Zusammenhang von Schulerfolg und sozialer Herkunft aufzubrechen.

Zieht man jetzt für die Bewertung der 16 Schulsysteme in den Bundesländern sowohl die reinen Schülerleistungen als auch die soziale Förderung heran, so gilt Sachsen als der eigentliche deutsche Sieger des zweiten PISA-Schultests. Der Chancen-Vorteil für Kinder aus reichen Familien ist dort 2,79 Mal so hoch. Auch Arbeiterkinder haben damit eine relativ gute Chance, die Hochschulreife zu erlangen. Zugleich hatte Sachsen mit seinem zweigliedrigen Schulsystem aus Gymnasium und Regelschule - kombinierte Haupt- und Realschule - beim reinen Leistungs-Ranking den bisherigen PISA-Zweiten Baden- Württemberg zum Teil auf den dritten Platz verwiesen.

Vergleichsweise sozial ausgewogen präsentieren sich bei diesem Vergleich auch die Schulen in Niedersachsen (2,63), Hessen (2,71) und Schleswig-Holstein (2,88). Am besten schneidet Brandenburg mit einem Wert von 2,38 ab. Das Land hatte jedoch beim bundesweiten Vergleich der Schülerleistungen einen der letzten PISA-Plätze belegt.

41 Nationen hatten im Frühjahr 2003 an dem zweiten PISA-Schultest der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) teilgenommen. Für die deutsche Sonderauswertung wurden über 45.000 Schüler getestet. PISA untersucht nicht nur das Wissen der 15- Jährigen, sondern auch ihre Fähigkeiten, dies bei der Lösung lebensnaher Aufgaben anzuwenden. Zugleich werden familiärer, sozialer und schulischer Hintergrund der Schüler erfasst. (tso/dpa)

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