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Igor Levit, wenn er zum Flirt mit der Kamera aufgelegt ist.

© picture alliance/dpa

Pittsburgh Symphony Orchestra zu Gast in Berlin: Weltflucht und Weltschmerz

In der Philharmonie beeindrucken die Gäste aus den USA mit Bruckners neunter Sinfonie, während Igor Levits Mozart-Interpretation befremdet.

Schon skurril: Ausgerechnet zur Kadenz schaltet Igor Levit sein Tablet an, um nach Noten zu spielen. Dabei markiert doch gerade die Kadenz jenen Moment innerhalb eines Instrumentalkonzerts, an dem der Solist ganz frei ist: Frei zu improvisieren, mit dem melodischen Material der Partitur zu spielen. Igor Levit dagegen hat sich seine Gedanken zum ersten Satz von Mozarts Klavierkonzert Nr. 22 aufgeschrieben und hält sich am Dienstag in der Philharmonie dann auch genau an seine Notate. Was gerade bei diesem Pianisten überrascht, der sonst für Klavierabende die verrücktesten, komplexesten Werke auswendig lernt.

Andererseits ist der 32-Jähirge aber auch dafür bekannt, die Dinge gerne anders zu machen als man es gemeinhin gewohnt ist. Ziemlich befremdlich fällt bei seinem Auftritt im Rahmen des Berlin-Gastspiel des Pittsburgh Symphony Orchestra beispielsweise der Umgang mit dem Publikum aus. Levit tut nämlich so, als wären die Philharmonie-Ränge völlig leer. Ja, er scheint geradezu eine imaginäre Wolldecke über sich und seinen Flügel gedeckt zu haben, so introvertiert, so weltentrückt wirkt sein Spiel.

Levits maximal feingliedrige Interpretation ist zweifellos das Ergebnis eines intensiven Analyseprozesses. Doch sie ermüdet das Hörerohr schnell, weil diese Pianissimozartheit eben auch konturarm bleibt und somit eintönig wirkt. Warum aber verschanzt sich der Interpret derart im Elfenbeinturm, warum mag er Partout keinen Kontakt zum Publikum aufnehmen, warum drängt es ihn nicht, seine Erkenntnisse über das Werk nachvollziehbar zu vermitteln? Diese Fragen lässt Levit unbeantwortet. Dennoch gefällt seine Mozart-Deutung am Dienstag vielen im Saal.

Honeck spannt bei Bruckner extrem weite Bögen

Manfred Honeck, seit 2008 Chefdirigent des Pittsburgh Symphony Orchestra, hat da mehr Sendungsbewusstsein. Wie er Anton Bruckners letzte Sinfonie strukturiert, erlaubt ein mitdenkendes Hören, ohne dass die Aufführung dadurch zu einem trockenen Exerzitium würde. Denn Honeck will ebenso auch die Emotionen transportieren, die den Zeit seines Lebens unverstandenen, tiefreligiösen Komponisten im Schaffensprozess der Neunten umtrieben.

Wie Manfred Honeck die Spannung in dem fast halbstündigen Eröffnungssatz hält, wie er den ganz großen Bogen spannt, ist beeindruckend. Die Musikerinnen und Musiker aus Pittsburgh reagieren auf jede seiner Bewegungen mit seismografischer Sensibilität, so dass ein stetig an- und abschwellender Klangstrom von enormer Dichte entsteht, selbst über die typischen Brucknerschen Generalpausen hinweg.

Von innen heraus entwickelt sich die Musik hier mit zwingender Logik, schneidend scharf ist das Scherzo, unerbittlich im Puls, durchsetzt mit ironischen Ländler-Intermezzi. Dass Honeck den Klang ziemlich monochrom hält, manchmal fast ins Metallisch-Weißliche wendet, erklärt sich vom Ende her: So trifft die Hörer dann der Schmerzensseufzer, der aus den finalen Streicherkantilenen aufsteigt, umso nachhaltiger.

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