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PJ Harvey in der Zitadelle Spandau.

© david baltzer / bildbuehne.de

PJ Harvey live in Berlin: Dein Leid, mein Lied

Einziges Deutschlandkonzert: PJ Harvey gab mit ihrer neunköpfigen Band in der Zitadelle Spandau eine ernsthafte, theatrale Show mit den Songs ihres Albums "The Hope Six Demolition Project".

Es wird ein Donnerwetter geben. Nicht vom Himmel herab, sondern von der Bühne der Zitadelle Spandau. Um acht Uhr ist sie noch menschenleer, doch zwei prominent platzierte Bass-Trommeln deuten schon darauf hin. Ihre Schlagflächen sind mit dem Covermotiv von PJ Harveys aktuellem Album „The Hope Six Demolition Project“ verziert, was man gut erkennen kann, weil immer wieder ein Scheinwerfer-Kegel darauf fällt.

Etwas später beim Einmarsch der neunköpfigen Band hat eine der Trommeln ihren ersten Wummer-Einsatz. Die Musiker gehen hintereinander, zwei militärisch wirbelnde Snare-Drums geben den Ton an. PJ Harvey läuft mit ihrem Alt-Saxofon in der Mitte der Formation.

Als sie ans Mikrofon tritt, um die ersten Zeilen von „Chain Of Keys“ zu singen, streckt sie die Arme aus, das Instrument schräg in die Luft gestreckt – eine Pose, die an diesem Abend noch einige Male zu sehen sein wird. Sie ist Teil einer äußerst ernsthaft-kontrollierten Performance, deren theatrale Anmutung weit von der üblichen Rockkonzert-Atmosphäre entfernt ist.

Dreifache Saxofon-Power treibt "The Wheel" an

Es geht eben ja auch um heftige Themen auf „The Hope Six Demolition Project“: das Leid der Welt, wie es PJ Harvey auf Reisen nach Afghanistan, im Kosovo und Washington begegnet ist. In „Dollar, Dollar“ beschreibt die 46-jährige Britin, wie ein bettelnder, afghanischer Junge an die Scheibe ihres Autos klopft. Straßengeräusche werden eingespielt, die ständig als Background-Chor agierende Band wiederholt den „Dollar“-Ruf und einer der beiden Schlagzeuger imitiert auf der Bass-Trommel das Klopfen ans Fenster. Darüber erhebt sich Harveys hoher Klagegesang, der schließlich in eine lange Saxofon-Coda mündet. Ein berührender, eindringlicher Moment, der die Hilflosigkeit der Elendstouristin gut veranschaulicht.

Kein Wort zum Brexit, dafür Songs von "Let England Shake"

Gleich im Anschluss lässt die Band bei „The Wheel“ einmal richtig krachen: Mit drei E-Gitarren treibt sie das Stück an, dessen Leitmotiv mit ebenfalls dreifacher Sax-Power in den Hof der Zitadelle geblasen wird. Hier kommt erstmals etwas Bewegung ins Publikum, das die Sängerin erstmals nach einer Stunde mit einem „Vielen Dank“ direkt anspricht. Außer bei der Vorstellung ihrer Bandmitglieder – unter ihnen Mick Harvey und John Parish – sagt sie ohnehin kaum etwas während des knapp 100-minütigen Auftritts.
Die Musik sagt schon alles, weshalb sich PJ Harvey, die in Minirock und Federweste wie ein Gothic-Schwan wirkt, natürlich auch nicht zum Brexit-Referendum äußert. „Let England Shake" und „The Glorious Land“ vom großartigen letzten Album müssen als Kommentar reichen. Die Stücke gehören zu den Höhepunkten des Abends, an dessen Ende die Mercury-Prize-Trägerin auch noch einige ältere Songs: das toll krachende „50ft Queenie“ und das schön arrangierte „To Bring You My Love“. Dann: eine Verbeugung mit der Band und ab – großes Theater.

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