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Kultur: Planet der Laffen

Bei Patrick Wengenroths „Heimatabend“ trifft Heino auf Boris Becker

Er sieht aus wie eine einfallsreiche Variante des jungen Fassbinder, mit dunklem Schnauzbart und langen Haaren, die ihm, asymmetrisch geschnitten, wie ein Vorhang übers Gesicht fallen. Beim leicht schlurfenden Fußvoreinandersetzen weist sein Kopf tendenziell zum Boden und erzählt von den Auswirkungen der Schwerkraft auf seinen gemütlichen, 28 Jahre alten Körper. Guten Tag. Er streckt die Hand zum Gruß aus, auf seinem Gesicht blüht das charmanteste Lächeln: Patrick Wengenroth, Regisseur und Mitbegründer des Theaterdiscounters, kündigt so schon mal an, dass er sich besonders gut für Überraschungen eignet.

Es läuft eine der wenigen Proben für „Planet Porno 3 – Der Heimatabend“. Die Serie „Planet Porno“ repräsentiert, für was der Theaterdicounter seit seiner Gründung vor über einem Jahr steht: blitzschnelles Reagieren auf das reale und das mediale Geschehen. Fünf junge Schauspieler und ein Musiker erheitern sich über den Wortlaut eines Maffay-Songs. Wird da von einer wilden, feuchten Lache gesungen oder etwa doch vom wilden, feuchten Laken?

Wengenroth, ganz der Praktiker, probiert es gleich aus. Er schwingt sich auf einen Barhocker, schließt die Augen und intoniert den durchaus anzüglichen Schlager „Tiefer“ hingebungsvoll, aber ohne verräterisches Pathos. Der Regisseur, der zuletzt mit der Inszenierung des Heckmanns-Abgesangs am Dresdner TIF auffiel, demonstriert mit dieser Szene seine ernsthafte Haltung. Er will den autobiografischen Werken deutscher (Pseudo-)Promis von Uschi Glas bis Oliver Kahn in „Planet Porno 3“ mit Ernsthaftigkeit begegnen, trennt deren Äußerungen nicht von der so genannten Hochkultur. Gerade aus diese Haltung zur offensichtlichen Banalität dieser Texte („Ich will immer mit allen Leuten gut befreundet sein“), die auch die Schauspieler annehmen, wird die absurde Komik der Inszenierung geboren. In den beiden ersten Folgen des „Planet“ führte sie dazu, dass die Zuschauer Zitate nicht als solche erkannten. Sie hielten sie für abwegig – und deshalb für inszeniert. Das gefällt Wengenroth, denn gerade die Verwirrung darüber, was real und was inszeniert ist, bedient er besonders gern. Die Schauspieler könnten dann zeigen, wie gut sie sind.

Zu erleben auch am vergangenen Wochenende, als anlässlich der Saisoneröffnung Ausschnitte aus „Planet Porno 3“ gezeigt wurden. Das „grundsätzliche Unterprobtsein“, aus der finanziellen Not entstanden, wird hier zur Tugend. Vivien Mahler nimmt sich auf amüsant burschikose Weise Torhüter Kahn und dessen Verbalergüssen an, Verena Unbehaun spielt dem Publikum raffiniert und von einem subtilen Dauernicken begleitet die Erfahrungen des Schlagersängers Heino zu, die Arte-Moderatorin Loretta Stern ist Boris Becker. Die Schauspieler zeigen, was Wengenroth auf dem Theater sehen will: Improvisationsvermögen, Gegenwärtigkeit, flexibles Reagieren, das Spiel mit dem Publikum. Trash ist nur die Verpackung.

„Planet Porno 3“ vom 18. bis 21.8. und 23. bis 25.8. im Theaterdiscounter (Monbijoustraße 1, Mitte).

Kirsten Wächter

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