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Kultur: Playboy in Öl

Von Oliver Heilwagen Vor langer Zeit diente die Porträtkunst einmal der Anbetung. Ob mythische Gestalten des archaischen Götterhimmels, deren Konterfei die ersten Künstler in Felswände ritzten, oder später ihre irdischen Nachkommen: Die abgebildeten Antlitze dienten der Verherrlichung.

Von Oliver Heilwagen

Vor langer Zeit diente die Porträtkunst einmal der Anbetung. Ob mythische Gestalten des archaischen Götterhimmels, deren Konterfei die ersten Künstler in Felswände ritzten, oder später ihre irdischen Nachkommen: Die abgebildeten Antlitze dienten der Verherrlichung. Doch das ist lange her. Trotzdem hat die Porträtmalerei der europäischen Neuzeit ihre Herkunft aus dem Götzendienst kaum kaschiert. All die Potentaten, die sich mit den Attributen ihrer Macht überlebensgroß abpinseln ließen, verlangten nach Ehrerbietung. Erst die auch diese Tradition zersetzende Moderne brachte das psychologisierende Porträt hervor, das den Charakter des Modells bloßlegt und die Apotheose listig unterläuft.

Um so verdienstvoller ist es, dass die Galerie Wewerka mit einer Sonderschau an die Anfänge des Porträts aus dem Geist der Idolatrie erinnert – auf die Initiative eines Berliners hin, der auf seinem Gebiet als Alleinherrscher gilt: Rolf Eden, der letzte lebende deutsche Playboy, der in seinem Reich der Touristendiscos und Jet-Set-Starlets unumschränkt regiert. Doch ist sein Imperium bislang ohne Thronfolger geblieben: Seine – in der B.Z. verkündete – Suche nach einem Statthalter, den er im Schampusschlürfen und Schürzenjagen ausbilden wollte, verlief offenbar ergebnislos.

Umso mehr ist der Ku’damm-König um die Nachwelt bedacht und mit Sorge erfüllt ihn, welches Bild sie von ihm bewahren wird. So bestellte er für einen Wettbewerb gleich vierzehn Porträts seiner selbst in Öl, die er für je 2000 Euro ankaufte. Klugerweise vergab der Autokrat alle Aufträge an Nachwuchskünstlerinnen aus seinem Hofstaat. Sie geben in ihren Lebensläufen so bemerkenswerte Stationen wie „Handycraftpromoter in Peru (Forschungsjahr)“ oder „Lehrtätigkeit in der JVA Tegel, Kunstunterricht Heilkraft der Farbe `“ an. Auch die Ausstellungseröffnung am vergangenen Sonntag hätte kein Barockfürst effektvoller inszenieren können: Eine Jury kürte ad hoc die Siegerin mit dem klangvollen Pseudonym Sisi De Silva, die 5000 Euro Preisgeld kassierte.

Statt der gewohnten Gesichter aus der Galerieszene füllte ein buntes Völkchen die Säle: Vom Go-go-Girl mit blauer Plastikperücke bis zum sonnenbankgebräunten RolexTräger war alles vertreten. Derweil garantierten Juroren wie die Baulöwengattin Ulla Klingbeil und der Historiker Michael S. Cullen angemessene Distanz zum mafiosen Kunstbetrieb. Es war die Halbwelt des alten Westberlins, die sich in ihrem herausragendsten Vertreter noch einmal selbst feierte. Und einen Schnellkurs in Kunstgeschichte geboten bekam: Das Spektrum der Arbeiten reicht von kohlegekritzelter Höhlenmalerei (Katharina Lilie) bis zur Warhol-Persiflage – Malen nach Zahlen (Beatrice Bohl).

Jede Teilnehmerin zitiert die Formensprache einer anderen Koryphäe des Genres. Doch gerade im Verzicht der Epigoninnen auf jede eigene Handschrift tritt das Typische des Stils um so deutlicher hervor. Man findet einen naiven Pseudo-Rousseau (Jane del Rosario), einen Pseudo-Van-Gogh (Annette Messig), eine Pseudo-Dada-Collage mit aufgeklebten Playboy-Pinups (Karoline Koeppel) oder eine Bewegungsstudie in hektisch hingeschmierter Manier der Neuen Wilden (Katja Bienert). Der schöne Brauch, den Porträtierten heroisch-historisch zu kostümieren, wird ebenfalls fortgeführt: Eden als Tarzan, als Cäsar, als Beherrscher der Wellen oder brünftiger Faun. Ledidglich als Priapus haben wir Eden vermisst.

Der Auftraggeber ist jedenfalls mit den Resultaten sehr zufrieden: „Die Damen haben mich so gut im Gefühl: Sie haben mich wie einen Guru aufgefasst.“ Diesen Gedanken bringt der Beitrag von Kathrein Weinhold am formvollendetsten zum Ausdruck. Er zeigt Eden frontal auf Goldgrund, von auratischen Kraftstrahlen bekränzt. Dieses Meisterwerk reduziert die Metapher von der Pop-Ikone auf ihren Begriffskern und überträgt das Pathos byzantinischer Panegyrik kongenial ins Heute: Ohne Backfisch-Schwärmerei keine Teenie-Idole. Jedes der vierzehn Gemälde wird für einen wohltätigen Zweck versteigert. Wir wünschen dem Oberlinhaus für taubblinde Kinder in Babelsberg hohe Erlöse. Nur die pictora laureata wird leider abwesend sein: Sisi De Silva weilt derzeit auf Ibiza. Das passt.

Vorbesichtigung in der Galerie Wewerka (Budapester Str. 18) heute von 11 bis 19 Uhr, Sonnabend bis 17 Uhr. Die Versteigerung beginnt am 16.6. um 17 Uhr.

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