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Kurt Westergaard

© dpa

Podiumsdiskussion: Wenn Satire tödlich ist

Was darf Satire? Wann macht sie die Verhältnisse kenntlich, wann ist sie einfach nur vorsätzliche Verleumdung? In der Akademie der Künste wurde darüber diskutiert - aber Kurt Westergaard, wegen seiner islamkritischen Karikaturen bedroht, ist nicht gekommen.

Er kam nicht. Kurt Westergaard, Mittelpunkt des Akademie-Gesprächs „Satire ist kein Himbeerwasser“ blieb aus gesundheitlichen Gründen in Dänemark, schickte aber eine Videobotschaft, in der er von seinem Leben unter Polizeischutz berichtete. Die Veröffentlichung seiner sogenannten Mohammed-Karikaturen 2005, die den Propheten unter anderem mit einer Bombe als Turban zeigten, hatten zu heftigen Protesten in der islamischen Welt geführt. Massendemonstrationen, Mordaufrufe, die diplomatischen Beziehungen Dänemarks gerieten in eine schwere Krise, fünfzig Menschen starben. 2010 entging Westergaard einem Anschlag nur knapp, weil er sich in das zur Sicherheitszelle umfunktionierte Bad seines Reihenhauses retten konnte.

Die Einladung Westergaards , sagt Akademie-Präsident Klaus Staeck, sei vor allem eine Geste der Solidarität mit einem Künstler, dem es schlecht geht. Genauso hatte die Akademie Salman Rushdie eingeladen oder den von der Mafia bedrohten Roberto Saviano. Es geht Westergaard nicht gut, das zeigt das Video: Er spricht von den Sicherheitsleuten des dänischen Geheimdienstes, die ihn rund um die Uhr beschützen, mit jener liebevollen Dankbarkeit, die das Ausmaß seiner Ohnmacht und Hilflosigkeit spiegelt. „Sicherheitsstufe 1“, erklärt Klaus Staeck, „entspricht jener des israelischen Präsidenten.“ Das hätte, falls Westergaard gekommen wäre, im Hanseatenweg zu Sicherheitsschleusen wie am Flughafen geführt.

Die Einladung versprach ein „Gespräch über die Zuspitzungen, Störungen und Verantwortung der Satire“, bei dem sich Kabarettist Dieter Hildebrandt, der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer, Martin Sonntag von der Kasseler Galerie Caricatura und Klaus Staeck als Collage-Künstler als Erstes über das Recht auf Meinungsfreiheit einig waren. Dass Gesellschaft Pluralität, Kritik, Provokationen und die Verletzung von Tabus aushalten muss, ist klar. Komplizierter wird es, sobald man sich auf das weite Feld dahinter begibt. Denn so einfach, wie es Westergaard fast naiv sagte – „Ich habe doch nur meine Arbeit gemacht“ –, scheint es auch nicht zu sein. Wo verläuft die Grenze zwischen produktiver Provokation, zwischen Kenntlichmachung der Verhältnisse mit den Mitteln der Zuspitzung und vorsätzlicher Verleumdung, dem gezielten Stich in die empfindliche Stelle des Gegenübers, dessen Aufschrei man offen genießt, um ihm dann genüsslich vorzuwerfen: Hast wohl ein Problem mit der Impulskontrolle, was?

Der Satiriker ist „Seismograf“ (Haderer), der Wahrheit sprechende „Clown“ (Hildebrandt) – aber im schlechten Fall eben auch nur der ewige Sohn, der sein Pinkeln an die Soutane der Autorität als heldenhaften Dienst für die Demokratie verkauft. Moderatorin Bascha Mika suchte geschickt und hartnäckig immer wieder nach dieser Grenze, die aber immer wieder wegrutschte und vorläufig im Bauchgefühl des Einzelnen verortet wurde. Haderer hätte die Mohammed-Karikaturen nicht gezeichnet, einfach weil er Mohammed nicht kennt – im Gegensatz zu den Katholiken seiner österreichischen Heimat. Kein Problem hat er mit Behinderten als Gegenstand von Satire, genauso wie der Galerist Sonntag: Er kenne Behinderte, die die Aufnahme in den Kreis der Satirewürdigen explizit wünschten und als Inklusion betrachten.

Dieter Hildebrandt war da zögerlicher: Katholizismus, Politik, bayerische Selbstherrlichkeit: Ja! Aber Witze über Behinderte? Nein. „Ich will angreifen, aber nicht verletzen.“ Auch Klaus Staeck schüttelte den Kopf. „Die Grenze verläuft dort, wo die Provokationen der ’Titanic’ aufhören“, schlug der forsche Martin Sonntag zum Entsetzen der Ex-Katholikin Bascha Mika vor. Dazu sah man in Großaufnahme eines der vielen „Titanic“-Cover zum dankbaren Thema: „Kirche heute“ stand da. Darüber ein Mönch, der Jesus am Kreuz oral befriedigt. Böll irrte. Satire ist auch das: abgestandenes Himbeerwasser. Andreas Schäfer

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