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Hofft auf eine bessere Zukunft. Mina Maher, der Grafikdesigner, hat seine Visionen zur Revolution gezeichnet. Die linken Bilder beschreiben die Zeit vor der Revolution, die in der Mitte die Gegenwart nach der Revolution, die rechts die Zukunft. Mina Maher ist einer von insgesamt 50 Ägyptern, die in der Ausstellung "Egypt reloaded" ihre Wünsche äußern. 15 diese Porträts werden ab dem 28. März in Ost-Jerusalem gezeigt.

© studio kohlmeier

Politische Ausstellung: Ikonen des Aufstands

„Egypt reloaded“: Ein großes Panorama der Fotografen Bernd und Angelica Kohlmeier holt den Tahrir-Platz nach Berlin.

„Ich will nicht geschlagen werden, wenn ich auf der Straße meine Meinung sage“, hat der 17-jährige Schüler Menna Elishishini auf einen Karton geschrieben. Er hielt ihn im Mai letzten Jahres auf dem Tahrir-Platz in Kairo selbstbewusst in die Kamera. „Das ist ein wichtiges Statement“, erklärt die Bürgerrechtlerin Mona Shahien. Sie findet es großartig, dass sie jetzt vor ihrem eigenen Porträt mit dem Schild „Meinungsfreiheit, Transparenz, Vielfalt feiern, Ethik“ in Berlin auf dem Bürgerforum steht, zwischen Paul-Löbe-Haus und Kanzleramt. Wo einst der Architekt Oswalt Mathias Ungers im Band des Bundes das – nie gebaute – Bürgerforum für die Hauptstadt geplant hatte, wird am heutigen Freitag die Open-Air-Ausstellung „Egypt reloaded“ von Bundesaußenminister Guido Westerwelle eröffnet.

Mit einem Panorama von 23 Metern Durchmesser haben die Fotografen Bernd und Angelica Kohlmeier (Studio Kohlmeier) den Tahrir-Platz nach Berlin geholt. Das Panorama besteht aus einem inneren Kern mit einem Durchmesser von 14 Metern, auf dem Revolutionsbilder des jungen Aktivisten und Fotografen Beshoy Fayez gezeigt werden. Im inneren Kreis sieht man eine 360-Grad-Aufnahme des Tahrir-Platzes, während auf dem äußeren, 65 Meter langen Ring jeweils 25 Männer und Frauen in Lebensgröße auf analogen Schwarz-Weiß-Fotos abgebildet sind, mit ihren Parolen. Ein bewegendes, klischeebrechendes Zeugnis der ägyptischen Revolution.

„Als wir die Revolution im Fernsehen verfolgten, dachten wir, wir müssen dort hin“, erzählt Bernd Kohlmeier. Seine Frau Angelika recherchierte im Internet die Reise- und Kontaktmöglichkeiten und stieß auf die Tahrir-Lounge im Goethe-Institut Kairo. „Wir bekamen den Raum von Außenminister Westerwelle, und er meinte, ich solle das machen“, erzählt Mona Shahien stolz, die jetzt als Projektmanagerin die Tahrir-Lounge bespielt, wo junge Ägypter im Alter zwischen 18 und 35 Jahren in eigener Verantwortung sich fortbilden, organisieren und diskutieren.

Mona Shahien war selbst aktiv auf dem Tahrir-Platz. Sie brachte die Kohlmeiers in Kontakt mit Beshoy Fayez, der als Tourguide für japanische Touristen gearbeitet und während der Revolution fotografiert hatte. Er und Mona vermittelten Junge und Alte, Salafisten und Liberale, Moslembrüder und Feministinnen, die mit einem Schild in der Hand ihren Wunsch für Ägyptens Zukunft aufgeschrieben haben. „Dann hat uns Beshoy gefragt, ob wir ihm helfen könnten, seine Fotos im Goethe-Institut aufzuhängen.“ Beide waren von seinen Fotos begeistert, und schnell war die Idee geboren, den Tahrir-Platz in Berlin auf dem Bürgerforum aufzustellen – mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes und des Goethe-Instituts Kairo.

Moslembrüder für religiöse Toleranz

Viele der Aktivisten auf Beshoys Bildern sind auch auf den Porträts der Kohlmeiers zu sehen. Zum Beispiel Ahmed, der nach einer Kopfverletzung einen Kochtopf als Stahlhelmersatz trug. „Wahre Demokratie“ steht auf seinem Schild. „Hend Mohsen ist eine Moslemschwester, die sehr aktiv für die Demokratisierung eintritt“, erklärt Mona Shahien. Mohsen trägt Kopftuch, aber ihr Gesicht ist frei. Die bürgerliche Buchhalterin daneben hält sich dagegen ihr Schild bis zur Nasenspitze, die Augen verbirgt eine Sonnenbrille. Der Wunsch nach Freiheit und Demokratie steht auf vielen Plakaten. Es gibt Moslembrüder wie Mohammed Abbas, der sich für ein Ägypten von Christen und Moslems einsetzt. Ein ziviler Staat, Religions- und Meinungsfreiheit, Transparenz sind weitere Ziele, die oft genannt werden. Eine Dame trägt ein Kreuz und einen Halbmond an einer Kette. Die Fotos des Studio Kohlmeier sind Fotos von Menschen, die erstmals in ihrem Leben Hoffnung spüren und ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Und der westliche Beobachter muss erkennen, dass nicht alle Moslembrüder oder Salafisten gegen die Demokratie sind.

"Die Menschen entschuldigen sich bei ihrem Land dafür, dass sie sich erst nach 30 Jahren gegen Mubarak erhoben haben" steht auf dem Schild, dass dieser Demonstrant auf dem Tahrir Platz am 1. Februar 2011 zeigt. Weitere Fotos von Beshoy Fayez sind bis zum 6. April vor dem Paul-Löbe-Haus in dem Foto-Panorama "Egypt reloaded" zu sehen.
"Die Menschen entschuldigen sich bei ihrem Land dafür, dass sie sich erst nach 30 Jahren gegen Mubarak erhoben haben" steht auf dem Schild, dass dieser Demonstrant auf dem Tahrir Platz am 1. Februar 2011 zeigt. Weitere Fotos von Beshoy Fayez sind bis zum 6. April vor dem Paul-Löbe-Haus in dem Foto-Panorama "Egypt reloaded" zu sehen.

© Beshoy Fayez

Mona Shahien ist stolz auf ihre Aktivisten: „Der ist jetzt im Parlament, sie arbeitet in der Frauenunion mit, der hat viel gelitten.“ Beshoy Fayez wiederum hat auf sein Transparent geschrieben: „Ich möchte, dass jeder seine Fähigkeiten frei entfalten kann“. Seine Momentaufnahmen vom Frühjahr sind wunderbar, sie könnten zu Ikonen des Aufstands werden: der Salafist, der mit Soldaten auf dem Panzer betet. Aber auch das Foto von den prügelnden Polizisten, die bei genauer Betrachtung nur Polizeihelme und Schilde tragen, aber zivil gekleidet sind.

Das große Panorama entstand, als Beshoy und seine Freunde noch einmal alle Revolutionäre auf den Tahrir-Platz riefen, um für die Freilassung von Aktivisten zu demonstrieren. „Es war wahnsinnig heiß, und ein alter Mann tupfte mir immer wieder den Schweiß von der Stirn. Sie waren glücklich, dass wir da waren und fotografierten“, erzählt Bernd Kohlmeier.

Nach dem Ende der Ausstellung wird das große Panorama zerschnitten und zu Taschen vernäht, die zugunsten der Tahrir-Lounge verkauft werden. In zwei Jahren werden Angelika und Bernd Kohlmeier ihre Aktivisten noch einmal aufsuchen und fragen, was aus ihren Träumen geworden ist.

Bis 6. April vor dem Paul-Löbe-Haus

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