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Pop on Paper. Von Warhol bis Lichtenstein, Ausstellungsansicht.

© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Pop Art in Berlin: Wunder aus der Suppendose

So schön bunt: Das Kupferstichkabinett präsentiert in der Ausstellung „Pop on paper“ die Highlights seiner großen Pop-Art-Sammlung.

„BANG“ – der comicartige Schriftzug ploppt in fetten Lettern auf dem Autokühler auf. Eine langhaarige Frau streckt sich auf dem ralleygestreiften Dach des Gefährts. Grellgrün strahlt der plakative Bildgrund. Aber damit enden die poppigen Avancen auch schon. Das offenkundig handgemalte Bild von Antje Dorn aus dem Jahr 2000 nimmt die amerikanische Pop Art gehörig auf die Schippe.

Ihre ironische Persiflage lässt kurzerhand die Luft raus aus dem männerdominierten Sex-und-Konsum-Gehabe der amerikanischen Heroen, die mit ihren Siebdrucken seit den 1960er Jahren ein neues hedonistisches Kunstzeitalter der populären Massenmedien ausriefen. Denn Dorns ungelenk posierende Protagonistin wirkt ebenso wie der piefige Kleinwagen, auf dem sie liegt, alles andere als cool.

Die 1965 geborene Künstlerin wuchs in Aachen mit der Pop Art des Schokokönigs Peter Ludwig auf. Jetzt gehört sie wie Filmemacherin Ulrike Ottinger und Label-Kunstfigur SUSI POP zu den Künstlerinnen, deren Adaptionen und Persiflagen die arrivierten Pop-Art-Positionen von Warhol bis Lichtenstein aufmischen. Was ist noch dran an der Pop Art? Was geben die Bestände des Kupferstichkabinetts her?

Kurator Andreas Schalhorn empfängt zum Rundgang durch die 100-Werke-Ausstellung „Pop on Paper“ stilsicher mit bunt bedruckter Pop-Art-Schutzmaske. Jeweils 40 Besucher dürfen mit Zeitfensterticket in die Räume. Echte Farbe, haptisches Papier, riesige und winzige Formate: endlich wieder Kunst im Original.

Ulrike Ottinger, Ohne Titel, 1966/67, Farbsiebdruck, Werk in der Ausstellung „Pop on Paper“.
Ulrike Ottinger, Ohne Titel, 1966/67, Farbsiebdruck, Werk in der Ausstellung „Pop on Paper“.

© Ulrike Ottinger / Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz

Die Aura der billigen Massenware reizte

Vor 50 Jahren kaufte das Westberliner Kupferstichkabinett die ersten Pop-Art-Blätter an, darunter Andy Warhols nachdenkliches Selbstbildnis von 1966 und „Marilyn“ im Zehnerpack, in bissigen Pink-, Grün- und Silbertönen geschminkt.

Seinerzeit empfand man die brandneuen Siebdrucke aus Amerika, wie der spätere Sammlungschef Alexander Dückers sich erinnert, in der kulturellen Enge der Mauerstadt als aufregenden Hauch der großen freien Welt. Im Osten galt die großspurig auftrumpfende Konsumkunst aus den USA selbstverständlich nicht als museumswürdig.

Keine andere Kunstströmung hat sich den Markt so programmatisch mit Papierarbeiten erobert. Das Medium Druckgrafik war für den gelernten Werbegrafiker Warhol und die anderen Künstler kein Nebenschauplatz.

Gerade die Aura der billigen Massenware reizte sie. Das war auch ein Seitenhieb auf die emphatischen Gesten des zuvor marktbeherrschenden abstrakten Expressionismus à la Jackson Pollock.

Warhol fungierte kongenial als Künstler und Werber zugleich: Auf einer 1966 bedruckten Einkaufstasche des Museums Boston prangt sein „Campbell’s Soup“-Motiv. Billiges Give-away oder clevere Auflagenkunst? Die Pop Art hebelte Kategorien aus.

Roy Lichtensteins „Crying Girl“, Plakat für die Leo Castelli Gallery, New York, 1963, ist Teil der Ausstellung „Pop on Paper“.
Roy Lichtensteins „Crying Girl“, Plakat für die Leo Castelli Gallery, New York, 1963, ist Teil der Ausstellung „Pop on Paper“.

© Estate of Roy Lichtenstein / VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Jörg P. Anders

Pop Art kann auch sehr feinsinnig sein

Im Roy-Lichtenstein-Kabinett zeigt sich, wie feinsinnig und hintergründig die plakative Pop Art sein kann. In seinen Rasterpunktbildern deklinierte Lichtenstein die Kunstgeschichte durch, von Monet bis Picasso. Auf Papp- und Porzellanteller gedruckt wirkt das Punktraster höchst dekorativ.

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Die Siebdrucktechnik ist wandlungsfähig. Technisch funktioniert sie nach dem Schablonenprinzip, so sind satte Farbflächen möglich. Metallfolie, Plexiglas oder Stoffgewebe, alles kann bedruckt werden. Ein schickes Einweg- Minikleid aus Papiervlies, mit Warhols Suppendosen-Motiv verziert, konnte man sich 1967 gegen Einsendung von zwei Suppendosen-Etiketten und einem Dollar bestellen.

Der clevere Marketing-Gag des Lebensmittelherstellers war nicht vom Künstler initiiert.

Symbole aus einer anderen, vergangenen Welt

Das hat Witz. Doch trotz aller Farbenfrische erweist die Pop Art sich als Produkt einer fernen Zeit. Der unverblümte Sexismus, die Sprühdosen, Glühbirnen, Zigarettenschachteln und Tankstellen, das scheint so lange her.

„Sweet Dreams, Baby!“, der Schriftzug wird in einem Werk von Roy Lichtenstein einem Comic-Helden scheinbar per Faust um die Ohren geknallt. Am Ende der Ausstellung saust in James Rosenquists vierteiligem Fries aus sich überlagernden Fotos, Mustern und Logos ein US-Kampfbomber durchs Bild.

Ein bunter Sonnenschirm spannt sich über einem Atompilz, die Haut eines lachenden Kindes unter einer Friseurtrockenhaube wirkt wie mit Brandmalen übersäht.

[Kulturforum, bis 16. August, Di–Fr 10–18 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr, mit Zeitfensterticket: ww.smb.museum/tickets]

Das 1974 entstandene Werk sampelt Fernseh- und Medienbilder zum Kaleidoskop einer Ära. Aber die ungebremste Konsum-Euphorie der Pop Art zeigt Risse, wirkt brüchig, war es vielleicht von Anfang an. Auch Warhols rasante Bilderflut ist doch stets von Tod und Melancholie grundiert. Zur Ikone wurde Marilyn Monroe erst post mortem.

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