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Hibbelig. Lena Meyer-Landrut in Aktion im Berliner Postbahnhof.

© dpa

Pop: Eurythmie fast forward

Lena Meyer-Landrut ist im Postbahnhof so richtig nett zu Bühnenkollegen und Fans.

Das 1956 geschriebene Chanson „Non, je ne regrette rien“ ist wohl am bekanntesten in der Version von Édith Piaf und wird gerne von Bestattungsunternehmen als Abschiedslied für Beerdigungen empfohlen. Ferner singen es bisweilen Interpreten, die ihre lange, lange Laufbahn Revue passieren lassen wollen. Beim Konzert von Lena dient es als Einleitungsmusik, und das ist ziemlich bizarr: Während die Lena-Piaf da also schmettert, dass sie nix bereut, schwenkt eine Horde Minderjähriger in den vorderen Reihen des Konzerts die Leuchtstäbchen, als wär’s die neue Single von Justin Bieber. Aber die Botschaft, die ist klar: Lena hat so früh angefangen (vor drei Jahren!), und es ist so viel passiert (Unser Star für Oslo! Unser Star für Deutschland! Drei Alben, die sich alle bombig verkauften! Die Werbekampagne für den 60. Geburtstag des Airports Hannover!), dass sie jetzt entspannt zurückblicken darf.

Nun macht Lena Meyer-Landrut nicht den Eindruck, der entspannteste Mensch auf Erden zu sein, und genau das ist ihr größtes Kapital. Auf durchaus erfrischende Art und Weise reichert sie die reine Lehre des Popkonzerts mit ein paar Freundlichkeiten an. Es menschelt. Im Publikum ist ein Geburtstagskind? Darf auf die Bühne und mitsingen. Gitarristin Kerstin hat nach dem fünften Lied noch keinen einzigen Schluck aus der Wasserflasche genommen? Ist ungesund, muss sofort angesprochen werden. Und dann diese Bewegungen! Lena bewegt sich eigentlich immer, mit den standardisierten Choreografien der Pop-Kollegenschaft hat das aber wenig zu tun. Eher erinnert’s an Eurythmie im Fast-forward-Modus.

Nicht, dass wir uns missverstehen. Die Kleine-Hallen-Lena, die mit ihrem Publikum herumspaßt und technische Probleme souverän wegalbert, ist ein gutes Stück sympathischer als die „Echo“-Lena von vor drei Wochen, die erst ausgiebig heulte und dann ihre neue, etwas langweilige Single „Neon (Lonely People)“ in einem sogenannten Medley mit der Musik des Schlagerbarden Peter Plate und der Ostrock-Band Silly mischte, was dann doch so wirkte, als hätte die Plattenfirma sanften Druck ausgeübt.

Derlei Berechnung ist im ausverkauften Postbahnhof nicht festzustellen. Lena spielt sich gute eineinhalb Stunden lang durch ihre Songs. Die Hits kennt man. Und wenn man sie nicht kennt, kommen sie einem bekannt vor, weil sie sich ohne allzu große Scheu im Fundus der Popgeschichte bedienen. „Pink Elephant“? Nimmt sich einiges bei Irving Berlins „Puttin’ On The Ritz“. „Mr. Arrow Key“? Erinnert doch arg an den Reggae-Song „Kingston Town“. Dazu kommen Coverversionen, etwa „Baby One More Time“ von Britney Spears, „Tainted Love“ von Soft Cell oder der wunderbare Hall-&-Oates-Klassiker „Rich Girl“. Das Problem an der Setlist ist auch deshalb eine gewisse Beliebigkeit. Gerade, wenn Lena Fremdmaterial intoniert, wirkt der Abend wie eine Revue. Oder, um’s in die Jetztzeit zu übersetzen: wie eine Spotify-Playlist. Das Publikum stört sich an derlei Feinheiten nicht. Es wird getanzt, geklatscht. Das Motto scheint zu sein: Hauptsache Lena. Und Hauptsache, dabei läuft Musik.

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