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Baba Zula: Hypnotisch. Psychedelisch.

© promo

Baba Zula im Lido: Tosen und Grummeln von Becken und Trommeln

Hypnotisch. Psychedelisch. Baba Zula liefern eine betörende Mixtur aus traditionellen türkisch-arabischen Klängen und modernen elektronischen Sounds.

Im Kreuzberger Lido trägt Murat Ertel einen dichten schwarzen Schnurrbart, einen langen roten Schamanenmantel und eine hohe spitze Mütze mit Fellbesatz, unter der ein kräftiger Haarzopf hervorquillt. Gurgelnde Klänge quellen aus seiner elektrisch verstärkten Saz. Ein ruhiges Plätschern zunächst. Bis Gewitterstürme jäh darüber hereinbrechen, Tosen und Grummeln von Becken und Trommeln.

Mit Handkanten, Handflächen, Fingerspitzen und Gefühl schlägt Cosar Kamçi eine kelchförmige Bechertrommel: Darbuka. Levent Akman drischt und zischt Percussions und klappert mit Holzlöffeln. Bis alle Instrumente in einem beständigen Rhythmus-Strom zusammenfließen. Hypnotisch. Psychedelisch.

Die Band heißt Baba Zula, stammt aus Istanbul und wurde durch den Dokumentarfilm des Hamburger Regisseurs Fatih Akin "Crossing the Bridge – The Sound of Istanbul" im Jahr 2005 auch in Deutschland etwas bekannter. Soeben ist ihr neues Album Gecekondu erschienen.

Alles dreht sich um Murat Ertels elektrisierende Starkstrom-Saz. Auch er selber dreht sich immer wieder über die Bühne, um seinen eigenen Körper und um den seiner flachen, korpuslosen Saz, die er mit gewaltigem Volumen durch die unterschiedlichsten Stimmungen und Effekte jagt: Looper, Chorus, Verzerrer, Wah-Wah, Fender-Verstärker. Zwischendrin tappt er mit den Fingern der rechten Hand aufs Griffbrett wie ein Heavy-Metal-Gitarrist.

Die elektronischen Sounds von Levent Akman, die sich niemals in den Vordergrund spielen, die nie aufdringlich werden, geben Ertels Saz zusätzliche Stärke. Wie auch der feine türkische Gesang von Elena Hristova, sowie die Bauchtanzillustrationen einer jungen Japanerin.

Blick- und Ohrenfang bleiben dennoch immer der coole Murat Ertel und seine sprechende, singende, schreiende Saz, die sich manchmal anhört nach modalem Jazz. Die mit ihrer Doppelchörigkeit in Klangfarbe und Melodik Erinnerungen weckt an Roger McGuinns 12-saitige Gitarre im Byrds-Song "Eight Miles High" von 1966. An Santanas "Jingo"-Rhythmus oder die vertrackten Riffs von Jimmy Page bei Led Zeppelin. Im psychedelich pedalierten Wah-Wah-Wahnsinnslärm trifft sich Ertel mit Hendrix und Cream. In sirrend schwirrenden Verzerrungen mit dem Jeff Beck der Yardbirds-Zeit.

Es ist, als würden sich Murat Ertel und Baba Zula von den westlichen Rockgitarristen und psychedelischen Bands wie den deutschen Amon Düül all das zurückholen, was die sich in den späten 60er-Jahren ausgeliehen hatten von der Musik des Orients.

Ihre betörende Mixtur aus traditionellen türkisch-arabischen Klängen und modernen elektronischen Sounds, ihre immer kontrollierten Improvisationen, erweitern Baba Zula mit schwer groovendem Dub Reggae oder rhythmischen Extravaganzen im Neunviertel-Takt. Man sieht und hört es deutlich: das sind keine falschen Posen, das ist echte Leidenschaft. Und zu einem weiteren wilden Saz-Solo zum Schluss wird Murat Ertel auf einem Flightcase mitten durchs Publikum gerollt. Ekstatisch.

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