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Berliner Musikwoche: Hauptstadt-Hype mit Potential

Wir müssen reden - die Ideen der ersten Berliner Musikwoche.

Die Musik spielt diese Woche in Berlin. Die Branche redet bei der ersten Ausgabe der Music Week übers Geschäft, die Fans freuen sich auf eine Überdosis Konzerte. Die Clubszene schwört: Der Hauptstadt- Hype ist noch nicht vorbei. Es gibt ein Leben jenseits von Dieter Bohlen und Lena Meyer-Landruth. Das ist diese Woche in Berlin zu sehen. Bei der ersten Ausgabe der Musikwoche - offiziell: Berlin Music Week - ballen sich Konzerte, Festivals, Workshops und Diskussionen, zum Finale legt DJ Paul van Dyk auf.

Die Popkomm wagt nach einem Jahr Auszeit auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof den Neustart. Bevor die Musikmesse am Mittwoch beginnt, hat sich die kriselnde Branche noch eines vorgenommen: Wir müssen reden. Zum Auftakt beim Kongress All2gethernow in der Kulturbrauerei holen sich junge Bands Tipps, wie sie ins Geschäft kommen können. Mat, ein Kapuzenpulliträger mit schwarzer Brille, stellt den Experten seine Band vor, die „Danke!“ heißt. Mats Deutschpop-Lied reißt die drei Profis auf dem Podium nicht vom Hocker. „Werd' individueller“, sagen sie ihm. Und: „Musikalisch fischt ihr in einem Teich, in dem sich wahnsinnig viele Bands tummeln.“ Der Sänger verteidigt sich, live sei das Lied ganz anders.

Produzent Tim Renner, einer der Initiatoren des Kongresses, hat schon viele Bands aufsteigen sehen. Er war mal Chef des Konzerns Universal Music, Bands wie Tocotronic und Rammstein hat er groß gemacht. Auch ihn beschäftigt, wofür noch niemand in Medien und Musik eine Patentlösung gefunden hat: Wie verdient man im Internet Geld? Er weiß es auch nicht genau, plädiert aber dafür, mutiger zu sein und stärker auf digitale Märkte zu setzen. CDs seien eh bald verschwunden, sagt er. Manchmal kauft Tim Renner Platten aus Vinyl. „Wenn schon körperlich, dann richtig.“ Renner findet, dass die Kreativwirtschaft noch nicht genug anerkannt wird und verweist auf die Bauern, die bei Protesten mit ihren Treckern die Straße blockieren. Ähnliches könnten auch die Kreativen machen, schlägt Renner vor. Einfach mal eine Woche nichts produzieren - eine „No Creation Week“. Jochen Sandig, Gründer des Kulturzentrums Radialsystem, mag die Idee. „Das hätte einen starken Effekt“, sagt er.

Für Berlin, eine Stadt ohne Dax-Unternehmen, ist die kreative Szene wichtig. 14.000 Menschen, darunter Stars wie Peter Fox und Wir sind Helden, verdienen ihr Geld in der Hauptstadt mit Musik, allein 6000 arbeiten für Konzerthallen. Die Stadt kultiviert das Rock'n'Roll-Image, dem Regierungschef Klaus Wowereit den Slogan „arm, aber sexy“ verpasste. Jeder zweite Berlin-Besucher ist unter 40, berichten die Tourismusexperten, denen die Musikwoche gut ins Konzept passt. Und von den jungen Leuten kommt sogar die Hälfte wegen des Nachtlebens an die Spree. Der Touristenboom und die Partygänger aus dem „Easy-Jet-Set“ gehen manchen Berlinern schon auf die Nerven. Sie wittern ein Ende des Hauptstadt-Hypes. „Das ist doch Jammern auf ganz hohem Niveau“, sagt Olaf Kretschmar. Die Hauptstadt-Szene sei doch schon vor zehn Jahren totgesagt worden. Kretschmar gehörte in den 90er Jahren, den wilden Zeiten von Berlin-Mitte, der Club „Delicious Doughnuts“. Heute ist er Netzwerker für die Szene, „Cluster Manager“ steht auf seiner Visitenkarte. Er ist einer der Organisatoren der Musikwoche und tuckert gerade auf einem Solarboot über die Spree, um Journalisten für ein Clubfestival rund um das Ufer von Friedrichshain und Kreuzberg zu begeistern.

Kretschmar schwärmt von der „Spartenkompetenz“ Berlins, der Vielfalt von Techno bis Tango. Er weiß aber auch, dass das Nachtleben nicht immer zu Investorenplänen passt. Das Boot gleitet an der legendären „Bar 25“ vorbei: Sie läutet während der Musikwoche ihren Abschied ein, das Spreeufer wird bebaut. Wo würde Kretschmar Besucher hinführen, um ihnen ein Stück typisches Berlin zu zeigen? Ins „Kiki Blofeld“, sagt Kretschmar. Das ist eine Bar mit Kickertisch, Sand und Bierbänken am Flussufer. Und danach? „Dann gehe ich nach Hause“, sagt Kretschmar. Mit 48 und drei Kindern zieht man schließlich nicht mehr so um die Häuser wie früher.

Caroline Bock

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