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Groove der Großstadt. Die Musiker Paul Frick, Jan Brauer und Daniel Brandt an der Gedächtniskirche.

© Harry Weber

Brandt Brauer Frick Ensemble: Boom-Tschak mit Köpfchen

Geige, Cello, Posaune, Harfe, Tuba treffen auf Synthies und Percussion. Innovation und Intuition: Das Brandt Brauer Frick Ensemble verbindet Techno mit Neuer Musik und Jazz. Jetzt spielt es im Berghain.

Paul Frick war noch in der Grundschule, als die erste Loveparade 1989 über den Kurfürstendamm tobte. Er wohnte gleich um die Ecke, und erlebte in den darauffolgenden Jahren wie das Fest immer mehr kunterbunt gekleidete Raver anzog. Logisch also, dass er jetzt selbst Techno produziert?

Eigentlich nicht, erzählt der 31-jährige Musiker. „Ich fand die Loveparade damals ziemlich freaky. Als Fest war es irgendwie witzig, aber ich habe die Musik nie ernst genommen.“ Frick war eher interessiert an „komplizierter, handgemachter Musik“, und begann deswegen mit einem Kompositionsstudium bei Friedrich Goldmann an der Universität der Künste. „Ich musste erst mal acht Jahre Komposition studieren, um Techno zu mögen“.

Der Techno den seine Band Brandt Brauer Frick spielt, ist allerdings kein stumpfes Gehämmer. Auf dem vor einem halben Jahr veröffentlichten Album „You Make Me Real“ wurden alle Klänge von echten Instrumenten erzeugt, ohne Hilfe von Rechnern oder Drumcomputern. Und mittlerweile ist das Trio sogar zu einem zehnköpfigen Ensemble angewachsen, das am Donnerstag im Berghain zum ersten Mal auftritt – mit einer völlig akustischen Show.

Die anderen beiden Kern-Mitglieder der Band sind Daniel Brandt, 26, und Jan Brauer, 25. Sie kennen sich schon seit der Mittelschule in Wiesbaden. Unter dem Namen Scott machten sie von Jazz beeinflussten Techno. Paul Frick, der Komponist der mittlerweile auch angefangen hatte, Housetracks zu schreiben, hörte sie übers Internet, war begeistert und schrieb ihnen eine Mail. 2008 begann die Zusammenarbeit, und seit zwei Wochen wohnen Brandt und Brauer nun auch in Berlin.

Frick: „Schon am Anfang haben wir gedacht: Wir probieren mal, was passiert, wenn wir Techno, moderne Klassik und Jazz mischen.“ Daniel Brandt ergänzt: „Das hätte ja auch viel experimenteller oder merkwürdiger werden können, aber das ist nicht passiert. Im Studio ist beim Jammen relativ intuitiv ein Sound entstanden, den man auch hören kann, wenn man keine Ahnung von moderner Musik hat.“

Es hört sich in der Tat vor allem an wie Techno, aber der Sound ist geprägt von ungewöhnlichen Klangfarben. Zum Beispiel Basslinien, die nicht aus einem Roland-303, sondern aus einer Tuba kommen. Auch auf rhythmischer Ebene geschieht mehr als in diesem Genre üblich ist. Dadurch klingt die Musik wie eine Brücke zwischen Minimal Techno und Minimal Music im Stil von Steve Reich und Philip Glass.

Diesen Sound hat das Trio seit dem Debüt noch weiterentwickelt. Das liegt vor allem daran, dass sie jetzt mit sieben anderen Musikern zusammenarbeiten. Diese sind meistens in der Berliner Neue-Musik-Szene aktiv, etwa im Ensemble Kaleidoskop oder im Ensemble Adapter. Brauer sagt: „Die erzeugen die Klänge manchmal total anders als wir sie gemeint hatten, das ist cool.“ Und Brandt fügt hinzu: „Was ich interessant finde, ist, dass viele der klassischen Musiker, die dabei sind, nicht so groovemäßig orientiert sind. Die lesen die Noten und spielen die, aber Groove ist halt eine ganz andere Sache. Das muss man irgendwie zusammenbringen, damit die Groovefraktion und die Nicht-Groovefraktion eine Einheit werden.“

Die moderne Klassik in Berlin hat also den Sound beeinflusst. Aber ist Techno für Berlin mittlerweile nicht auch fast klassische Musik? „Berlin ist auf jeden Fall noch immer die Technohauptstadt der Welt“, bestätigt Frick. „Hier kann man in einer Bar sitzen, in einem entspannten Café, und im Hintergrund läuft Techno. Das gibt es nirgendwo anders.“ Dass ist meistens inspirierend – aber nicht unbedingt, fügt er hinzu. „Techno ist in Berlin ein teilweise lebendiges, teilweise totes Ritual. Leute die Anfang zwanzig sind, sind oft so konservativ mit der Musik. Sie mögen nur die alten Sounds. Techno war doch einmal die Zukunft!“

Brandt Brauer Frick gehören zu denjenigen, die versuchen, den Technosound musikalisch weiterzubringen. Denn das Genre wird langsam erwachsen. Es macht eine ähnliche Entwicklung durch wie einst der Jazz, der sich von seiner Funktion als reiner Tanzmusik emanzipierte und inzwischen auch von der Musikwissenschaft ernst genommen wird. Brandt findet, dass inzwischen viel Pomp dabei ist. „Wenn man zum Beispiel die Rezensionen liest, die sind heutzutage anders geschrieben als vor 15 Jahren. Viel feuilletonistischer. So, dass man denkt: Das muss ja die krasseste Sache aller Zeiten sein. Aber wenn man so eine Platte dann hört, ist es einfach Deep House mit einem Beat, sowie es das schon immer gegeben hat.“ Band-Kollege Frick findet ebenfalls, dass gewisse Parallelen zum Jazz vorhanden sind. Doch er gibt zu bedenken: „Jazz ist heutzutage oft eine biedere Angelegenheit geworden, auch wenn die Musik total gut ist. Irgendetwas aus der Technokultur muss auch so werden, aber hoffentlich nicht unsere Musik.“

Die ungewöhnliche Besetzung ihres Ensembles ist ein Versuch, sich sich vom Jazz zu distanzieren. Es besteht aus Geige, Cello, Posaune, Tuba, Harfe, Flügel, drei Percussionisten, und Moog-Synthesizer – der Moog ist mittlerweile auch ein klassisches Instrument, finden die drei. „Wir haben kategorisch Instrumente ausgeschlossen, die konnotiert sind“, verrät Brauer. Weil ein Saxophon oder ein Kontrabass automatisch mit Jazz assoziiert werden, dürfen sie nicht mitmachen.

Frick: „Es ist auch eine Generationsfrage. Die Technopioniere sind jetzt 50, die wollen auch endlich mal ihren Platz in der Hochkultur.“ So trat etwa Detroit- Techno-Legende Jeff Mills vor einigen Jahren mit der Philharmonique de Montpellier auf. Derartige Experimente finden Brand Brauer Frick nicht sonderlich spannend. „Was Jeff Mills, und auch Carl Craig, gemacht haben, geht eher in die Richtung von ‚Metallica with Strings’. Die spielen ihre alten Hits noch mal mit Orchester.“ Das Trio sucht mit seinen klassischen Mit-Musiker nach anderen Wegen. Und ist so in der Intelligent Techno genannten Unterabteilung des Genres gelandet. Zwar winden sich die drei ein wenig bei dieser Kategorisierung. Doch Frick gibt zu: „Intellektuelle Konzepte gibt es natürlich auch bei uns. Aber die muss man auch wieder vergessen, wenn man Musik macht. Das muss intuitiv sein.“

Konzert: Berghain, Panorama Bar,

Donnerstag, 5.5., 20 Uhr

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