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Vom Wunderkind zur Femme fatale. Jessica Lea Mayfield, 21, wurde vom Black-Keys-Sänger Dan Auerbach entdeckt.

© Michael Wilson

Country: Jessica Lea Mayfield: Selbst die Wolken weinen

Von der Liebe singt sie meist in der Abwesenheitsform: als unerfüllbare Sehnsucht oder als Schmerz, der bleibt, wenn der andere gegangen ist. Triumph der Traurigkeit: die neue Country-Hoffnung Jessica Lea Mayfield.

Solch einen Karrierebeginn hätte sich kein Hollywood-Autor besser ausdenken können. Als sie das erste Mal mit der Bluegrass-Band ihrer Eltern auf der Bühne stand, war sie acht. Die Familie tingelte in einem alten Tourbus, Baujahr 1956, durch die Staaten, der früher von Country-Legenden wie Ernest Tubb und Bill Monroe benutzt worden war. Sie rebellierte, indem sie sich einen Ring durch die Nase zog und mit dem Bruder eine Rockband gründete, die wie die Foo Fighters klingen sollte. Ihre erste EP, im Selbstvertrieb in einer Auflage von 100 Exemplaren herausgebracht, verteilte sie in Bars und Plattenläden in Ohio. Bis auf ihrer Myspace-Seite eine Nachricht aufploppte: „Hi, ich heiße Dan und spiele in einer Band, die The Black Keys heißt.“

Inzwischen ist Jessica Lea Mayfield 21 Jahre alt und gilt mit ihrem zweiten Album „Tell Me“, das heute als ihr Majorlabeldebüt bei Warner erscheint, als, so das US-Musikmagazin „Spin“, „möglicherweise nächstes großes Ding für 2011“. Zu verdanken hat das die Singer/Songwriterin neben ihrem Talent auch jenem Dan von der Website, dem Black-Keys-Sänger und Gitarristen Dan Auerbach. Er produzierte 2008 ihr erstes Album „With Blasphemy So Heartfelt“, ließ sie bei dem Black-Keys-Stück „Things Ain’t Like They Used to Be“ singen und nahm nun auch „Tell Me“ mit ihr in seinem Studio in Akron, Ohio, auf, einer Provinzstadt mit 200 000 Einwohnern.

Die Black Keys, muss man wissen, sind nach der Auflösung der White Stripes die wichtigste Neo-Blues-Band, die an der Wiederbelebung des Genres arbeitet, indem sie es wieder so roh und räudig wie in seinen Anfängen klingen lässt. Diese Reduzierung ist auch „Tell Me“ anzumerken, das mit einer hallenden Wüstengitarre und einem wie eine Klapperschlange schnarrenden Tamburin einsetzt. Ihr Debütalbum hatte Mayfield noch in bester Bedroom-Recording-Tradition allein mit ihrem Bruder David und Auerbach eingespielt. Nun werden sie von Gitarrist Richie Kirkpatrick und Schlagzeuger Scott Hartlaub unterstützt, doch die Instrumentierung bleibt stets zurückhaltend. Nichts soll ablenken von Mayfields mal schläfrig flüsternder, mal euphorisch seufzender Altstimme, die für eine 21-Jährige bereits erstaunlich rau und lebensweis wirkt.

Von der Liebe singt sie meist in der Abwesenheitsform: als unerfüllbare Sehnsucht oder als Schmerz, der bleibt, wenn der andere gegangen ist. „I know your love spotlight / will never shine on me“, klagt sie in „Somewhere In Your Heart“ zum Aufheulen einer E-Gitarre, die sich vergeblich gegen das Schicksal zu stemmen scheint. Doch das Mauerblümchen, das vom Geliebten übersehen wird, wandelt sich in „Trouble“, dem schönsten Song der Platte, zur Femme fatale, die reihenweise die Herzen der Männer bricht.

Zu Glockengeläut und einer sanft schunkelnden Steel Guitar beschwört Mayfield da eine Welt, in der ein Verlassener sogar im Schnee von Ohio bloß gefrorene Tränen sieht: „Now the clouds are crying snow / Here in Ohio.“ Sie singe nur, versichert die Sängerin, was sie selbst durchlebt und durchlitten habe: „Ich kann keinen Song über etwas schreiben, das ich nicht genau kenne.“ Es ist diese Aufrichtigkeit, die Mayfields Alternative-Country-Seelenergüsse meilenweit über den Mainstream-Nashville-Pop etwa der gleichaltrigen Taylor Swift erheben. Ein Triumph der Traurigkeit über die Lüge.

„Tell Me“ erscheint heute bei Warner

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