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Pop: Der Charakter-Tenor

Zum Tod des Opernsängers Helmut Krebs

„Ich will mir kein Urteil erlauben“ oder „Da kann ich mir ein Urteil bilden“: Worte aus Ingeborg Bachmanns Dichtung zu Hans Werner Henzes Komischer Oper „Der junge Lord“, schwankende Gedanken eines Professors von Mucker im Kreis deutscher Kleinbürger. Es war Helmut Krebs, der die Rolle so gestaltete, dass sie nachklingt wie ein ironisierendes Porträt seiner selbst. Sie schien ihm auf den Leib geschrieben. Die Uraufführung vor 42 Jahren fällt in eine Zeit, als die Ensemblekultur an der Deutschen Oper Berlin noch blühte. Unerschöpflich war der Fundus an Charakterdarstellern.

Helmut Krebs, gebürtiger Dortmunder, kam 1947 an das damals noch Städtische Oper genannte Haus als Erster lyrischer Tenor. Vier Jahrzehnte blieb er der Westberliner Bühne treu, um darüber hinaus gelegentlich zurückzukehren, wenn etwa für Götz Friedrichs „Totenhaus“-Inszenierung noch einmal seine Mitwirkung gefragt war. Aber das waren Nachspiele seiner großen Zeit. Was er als Professor von Mucker so trefflich persiflierte, war der Opernsänger im Zenit seiner Laufbahn. Mit Partien von Orff, Schönberg und Henze über seine Wahlheimat Berlin hinaus erfolgreich, dazu Pädagoge und Komponist eigener Werke verschiedenster Besetzungen, galt er als ein Tenor mit Köpfchen. Die klare Stimme verriet den Verstand.

Von seiner Berufung her war Krebs indes Oratoriensänger. Ob er auf der Opernbühne den Tamino, Don Ottavio oder David verkörperte: In jeder Verkleidung blieb der genuine Evangelist der Bach-Passionen präsent. Am 30. August, während der Theaterferien, ist Helmut Krebs mit 93 Jahren in Berlin gestorben. S. M.

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