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Deutscher Musikpreis: Echo ohne Widerhall

Am Sonnabend wird der deutsche Musikpreis "Echo" zum 18. Mal vergeben. Doch niemand braucht diesen Preis. Kai Müller über eine Ehrung, die kein Qualitätssiegel ist.

Niemand braucht diesen Preis. Herbert Grönemeyer braucht ihn nicht. Der erfolgreichste deutsche Popsänger hat ihn schon acht mal bekommen. Auch Rosenstolz und die Söhne Mannheims, die als Anwärter auf den Echo gehandelt werden, haben ihn nicht nötig. Und ganz bestimmt nicht Amy Winehouse. Die skandalumwitterte britische Sängerin mit den vielen Tattoos hat zwar noch keinen Deutschen Musikpreis zu Hause stehen, aber wie viel Wert dürfte sie auf eine Auszeichnung legen, die ein zwei Jahre altes Album ehrt?

Am Sonnabend wird der Echo zum 18. Mal vergeben. Erstmals findet die Verleihung in der 10.000 Menschen fassenden Berliner O2-World statt, die Zeremonie wird live im Ersten übertragen – bisher war der Privatsender RTL zuständig. Internationale Superstars wie U2 und Depeche Mode stellen ihre brandneuen Hits vor. Alles ist größer und glamouröser und soll den Sturz der Musikindustrie in den digitalen Abgrund aufhalten. Nur die Echo-Kandidaten sind im Wesentlichen dieselben wie immer. Niemand braucht diesen Preis.

Aber man sollte ihn brauchen. Popkultur, das ist Massenkonsum. Doch nirgendwo ist die Leidenschaft für Bestenlisten so ausgeprägt wie hier. Unter Freunden und Freundinnnen kursieren selbst gebrannte CDs mit Songs, die man gerade für top hält. Stefan Raabs Bundesvision Song Contest macht die Suche nach der beliebtesten nationalen Band zum Wettkampf à la Bundesjugendspiele. Da ist viel Herzblut drin. Umso mehr, da objektive Kriterien vollkommen fehlen.

Bei der Vergabe des wichtigsten deutschen Musikpreises, des Echo, orientiert sich der Verband der Musikindustrie deshalb an Verkaufszahlen. In die engere Wahl kommen nur die Kassenschlager einer Saison. Das macht Peter Maffay, LaFee, Die Ärzte oder Grönemeyer zu Dauergästen, obwohl Grönemeyer im letzten Jahr nur ein Best-of-Album mit Songs herausgebracht hat, die früher schon veröffentlicht worden sind. Sie sind nicht besser als andere, aber sie finden ihr großes Publikum. Das belohnt der Echo. Ein Qualitätssiegel ist er deshalb nicht. Gute Musik geht oft unter, weil sie zu unbequem oder komplex ist. Oder weil die Plattenfirmen Fehler machen. Ein Außenseiter mit einer vielsagenden und wegweisenden Musik hat beim Echo keine Chance.

Gewiss, über den Glanz einer Preisverleihung lässt sich streiten, bei der die Anwesenden nicht einmal einen Smoking tragen. Aber warum gibt es keinen renommierten Musikpreis in Deutschland? Abwegig ist die Idee nicht, die als oberflächlich, billig, vulgär und kurzlebig gescholtene Popmusik durch ein hohes Urteil aufzuwerten. Der Blick nach Schweden und England zeigt, wie es geht. Der „Mercury Prize“ für das beste Album des Jahres und der mit einer Million schwedischer Kronen dotierte „Polar Music Prize“, der inoffizielle Musik-Nobelpreis, haben sich vom Gedanken einer brancheninternen Leistungsschau gelöst. Die Entscheidungen der Jurys sind umstritten und elitär. Aber sie nützen dem Ganzen. Sie feiern das Visionäre – und sind heiß diskutiert.

Mit der diesjährigen Einführung eines „Kritikerpreises“ hat die Phonoakademie einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Zwar behielt sich der Verband vor, dem 19-köpfigen Auswahlgremium eine Longlist mit Kandidaten vorzugeben, doch hat sich die Branche eine Kommission geschaffen, die außerhalb von ihr selbst und ihren kommerziellen Interessen steht. Soll keiner sagen, man könne nicht auch im Pop die Musik finden, die sich von der Masse abhebt.

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