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Fishbone: Dauerfeuer

Crossover zu siebt: Fishbone begeistern im Knaack-Club mit einem furiosen Konzert.

Es ist immer traurig, Zeuge des Niedergangs alter Helden zu werden. Fishbone hätten die schwarzen Red Hot Chili Peppers sein müssen, konnten ihr enormes Potenzial aber nur kurzfristig in kommerziellen Erfolg ummünzen. Heute tingeln die 1979 gegründeten Crossover-Pioniere aus Los Angeles durch kleine Clubs. Von der Originalbesetzung sind nur noch Sänger und Multiinstrumentalist Angelo Moore und Bassist John Norwood Fisher dabei, aber nach langen Jahren personeller Turbulenzen haben sie wieder eine schlagkräftige Truppe um sich geschart. Zu siebt drängelt sich die aktuelle Formation nun auf der beengten Bühne im schütter gefüllten Berliner Knaack.

Ein durchschnittlicher Fishbone-Song fängt mit einem brodelndem, durch den Fuzz-Verzerrer gejagten Bass-Solo an, dessen Virtuosität einen gleich fassungslos macht. In den folgenden Minuten jagt die Band, eingepeitscht vom Uhrwerkgetrommel John Stewards, übergangslos zwischen Speedcore, Roots-Reggae, Atomic Funk und Ska-Metal hin und her. Zwei Gitarristen und der Keyboarder geben splitterndes Dauersperrfeuer, drei Bläser tuten, was das Zeug hält (selbstverständlich bedient hier fast jeder mehrere Instrumente), während Angelo Moore durch die kapitalismuskritischen Texte hechelt und nebenbei einem Theremin mit dramatischer Geste sphärische Klangwolken entlockt. Dieses Komplexitätsniveau halten Fishbone fast zwei Stunden durch, ehe im finalen „Servitude“, das wie eine Rage-Against-The-Machine-Coverversion von „Norwegian Wood“ klingt, jedes Bandmitglied nach einem ausgiebigen Solo die Bühne verlässt. John Steward überzieht den Bogen etwas und schickt seinem Ginger-Baker Schlagzeugexzess ein neckisches „Ich kann eben nicht anders“-Achselzucken hinterher.

Großartig. Man sollte Fishbone als vorzügliche Live-Band sofort für alle Festivals dieses Sommers nachbuchen. Dennoch bleibt bei aller überbordenden Spielfreude und Könnerschaft nach dem Auftritt eine gewisse Leere zurück, die vielleicht auch die relative Erfolglosigkeit von Fishbone erklärt: Diese Musik lebt für den Augenblick ihres Entstehens. Sie funktioniert nur in der Geborgenheit und Konzentration der Konzertsituation. Danach verweht sie zu einer schönen, flüchtigen Erinnerung.

Jörg W, er

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