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H.P. Daniels: The Band of Heathens im Maschinenhaus

Sie sehen aus wie ein Haufen Hippies aus den späten 60ern, Landkommune, Musikerkollektiv. Lange verstrubbelte Haare, unrasiert, Armeejacke, Jeansjacke, verknittertes Jackett, kariertes Baumwollhemd, T-Shirts, verwaschene Jeans. Und Augen, als hätten sie seit Tagen nicht geschlafen.

Traumwandlerisch spielen sie kompaktes Dingel-Dängel in mittlerem Tempo: Akustische und elektrische Gitarren, eine schnaubende Lapsteel, Bass und Schlagzeug. Auf der Bühne vom Maschinenhaus der Kulturbrauerei steht "The Band Of Heathens" - entspannt, zurückgelehnt, funkelnd, brillant – und das ist erst der Anfang. 

Angefangen mit der Band hat es schon vor fünf Jahren, als im "Momo's", einem kleinen Musikschuppen in Austin, Texas, immer mittwochs die drei Singer/Songwriter Colin Brooks, Ed Jurdi und Gordy Quist unabhängig voneinander mit eigenen Programmen auftraten. Irgendwann fanden sie heraus, dass es ihnen Spaß machte, sich gegenseitig zu begleiten, gemeinsam auf der Bühne zu stehen, ihre Gitarren und ihre drei unterschiedlichen Stimmen miteinander harmonisieren zu lassen. Schließlich holten sie sich noch einen Drummer und einen Bassisten dazu, nannten das wöchentliche Zusammentreffen "The Good Time Supper Club" ergänzten das Repertoire der einzelnen Musiker mit kompositorischen Kollaborationen wurden zu "The Band Of Heathens" und veröffentlichten zwei vorzügliche Studioalben: "The Band Of Heathens" (2008) und "One Foot In The Ether" (2009). Kräftig wurzeliger Rock 'n' Roll, Soul, Country, Blues. 

Doch so gelungen diese Platten auch sein mögen, um einiges interessanter und aufregender ist die Band im Konzert, wo die Songs der beiden Alben noch lebendiger klingen, freier, ungezwungener, und wo Platz bleibt für spontane Einfälle und Improvisationen, mehr Raum, mehr Zeit, mehr Leidenschaft. 

Ständig wechseln und tauschen sie ihre Instrumente: Colin Brooks spielt neben einer exquisiten Lapsteel auch Dobro und eine schwarze Les Paul Special. Ed Jurdi wechselt von der Gibson-Akustik zu diversen E-Gitarren, mit und ohne Bottleneck. Zwischendurch hämmert er ins E-Piano.

Nicht minder kompetent und einfallsreich bedient Gordy Quist ein ganzes Arsenal akustischer und elektrischer Gitarren. 

Der parallele Sound dreier unterschiedlicher, sich ergänzender Gitarren, ist eine der großen Stärken dieser Band. Mit einem grandios synkopierten wippenden Rhythmus, bei dem jeder der Gitarristen noch genügend Töne oder Akkorde auslässt, dass die anderen mit gegenläufigen Anschlägen die entstandenen Klanglöcher füllen können. Das erinnert an die besten Zeiten von Little Feat mit dem unvergessenen Lowell George. Wunderbar kalkuliert stolpernder Groove, Gospelklänge, Ragtime, New-Orleans, Rhythm & Blues. 

Eine zweite große Stärke dieser Band sind die drei ebenbürtig ausdruckstarken, aber doch so individuell unterschiedlichen Stimmen, die sich ständige abwechseln beim Lead-Gesang, manchmal sogar innerhalb eines Songs. Ed Jurdi mit seiner Soulstimme, Gordy Quist mit Folk- und Country-Färbung und Colin Brooks roher Blues. 

Stimmen und Gitarren wie eine solide Wand, deren erstaunliche Festigkeit basiert auf dem Fundament einer makellosen Rhythmusgruppe: dem massiven Bass von Seth Whitney und dem knallig kraftvollen Schlagzeug von John Chipman, einst Trommler der wundervollen Resentments. 

Sie schauen sich an, geben sich unauffällige Zeichen, tänzeln, wippen, kippen die Gitarren, improvisieren traumhaft. Führen lässig vor, was man mit drei Gitarren und einem einzigen Akkord machen kann, ausufernd, ohne langweilig zu werden, mit dem Lucinda-Williams-Song "Joy", in dem auch noch ein Stückchen "Baby Please Don't Go" und "Tabacco Road" Platz finden. 

Zu "Hallelujah" von Colin Brooks tönt ein rohes psychedelisches Gitarrenthema, in dem sich Stones und Beatles vereinen. Die Gemeinschaftskomposition "Shine A Light" verschaukelt den alten "Midnight Special" mit Gegospel. "Maple Tears" ist melancholischer Country mit weinender Steel-Guitar und "You're Gonna Miss Me" wieder so ein hypnotisch, löcheriger Boogie - mit Anklängen an "Midnight Rambler". Ed Juri bläst eine fauchende Mundharmonika in einer langen bluesigen Improvisationspassage. Und dann noch mal Leinen los: Tempo, Lärm - Rock 'n' Roll. Großes Vergnügen.

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