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Henry Rollins im Astra: Drei Stunden Wortgewalt

Henry Rollins ist ein Meister der Spoken Word Kunst. Keine Stichwortzettel, kein Teleprompter: Der Amerikaner erzählt im Astra stundenlang, was ihm durch den Kopf geht - ohne einen einzigen Versprecher.

Von 1981 bis 1986 war Henry Rollins Sänger der legendären kalifornischen Punkband Black Flag. Später sang er in der Rollins Band. Am Donnerstag im bestuhlten Astra singt er gar nicht. Auf der Bühne steht nur ein Mikrofonstativ, und dann Henry Rollins selbst.

Er erzählt von früheren Besuchen in Berlin, einer Autofahrt von Mainz, dem eisigen Wetter, dem ganzen Schnee von gestern und von heute. Und schon ist der coole Endvierziger in T-Shirt und Jeans, mit kurzen, graumelierten Haa-ren, dem kantigen Gesicht und riesigen Tätowierungen auf den muskulösen Armen, mittendrin im endlosen Redefluss seiner außergewöhnlichen "Spoken Word Performance". Einer einzigen, langen Geschichte, die aus unzähligen kleineren Storys kunstvoll zusammengesetzt ist.

Wobei Rollins nichts abliest, keine Textblätter benutzt, keine Stichwortzettel, keinen Teleprompter. Nur das, was er im Kopf hat: Gedanken, Erinnerungen, Philosophisches, Meinungen, Ansichten, Privates, Öffentliches, Abschweifungen, vor und zurück. Zeitsprünge, Einschübe, Rückblenden, Gegenwart. Ein Plädoyer für "Freedom Of Speech". Eine leidenschaftliche Abrechnung mit dem Rassismus, der Stumpfheit und der erschreckenden Bildungslosigkeit vieler seiner Landsleute.

Ständig springt Rollins von der Politik zum Privaten und wieder zurück. Vom Lustigen zum Ernsthaften. Von großen gesellschaftlichen Themen zu persönlichen Erlebnissen. Vergnügt erzählt er von einer Einladung beim Schauspieler William Shatner, der fragwürdigen Bedeutung des amerikanischen "Thanksgiving"-Festes, der Geschichte der schwarzen Punkband "Bad Brains", den amerikanischen Wahlen, Obama, Afghanistan. Berauschende Anekdoten von seiner jüngsten Reise, die ihn über Jordanien, Saudi Arabien, Indonesien, Sri Lanka, Indien, Nepal, Shanghai, Peking, Afrika, Mali, Timbuktu nach Irland und schließlich wieder nach Berlin geführt hat.

Drei ganze Stunden lang erzählt Rollins ohne Unterbrechung, ohne einen einzigen Versprecher, alles druckreif formuliert in einer charmant lässigen, aber nie nachlässigen Sprache. Wobei er seine Sätze mit tänzelnden Bewegungen untermalt, seinen Wörtern mit dem gelegentlichen Hervorschnellen eines Armes zusätzliche Kraft verleiht. Wie ein disziplinierter Kampfsportler einer östlichen Zen-Schule. Henry Rollins ist ein Meister seiner Kunst.

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