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Moby

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Hit-Parade: Mobys "Last Night"

Beginnt der 42-jährige Moby nun ein melancholisches Spätwerk? Diese Woche ist er auf Platz 21 mit: "Last Night".

Das arme Küken! Gerade noch hat es mit seinen Freunden gespielt, da steht es plötzlich allein in der Hühnerhölle: in einer riesigen Fabrik, wo seine Artgenossen verstümmelt und enthauptet werden. Überall ist dabei ein Firmenlogo zu erkennen, das eine gewisse Ähnlichkeit aufweist mit dem eines sogenannten „Systemgastronomen“, der Hähnchenschenkel gleich eimerweise verkauft und pro Jahr angebliche 850 Millionen Hühner verarbeitet. Das Logo zeigt einen alten Herrn im weißen Südstaatenanzug. Er ähnelt jenem Mann, den man heute noch den „Colonel“ nennt: Harland D. Sanders, der „Kentucky Fried Chicken“ 1930 gründete und seine Gäste zunächst im Wohnzimmer neben seiner Tankstelle bewirtete. Sanders verkaufte sein Unternehmen schon 1964. Was heute in seinem Namen geschieht, hätte vielleicht auch ihm den Appetit verdorben. Zu den bekennenden KFC-Verweigerern zählen nicht ohne Grund Paul McCartney, der Dalai Lama und Pamela Anderson.

Aber wir betrachten hier einen Videoclip von Moby, dem erklärten Veganer und Tierrechtsaktivisten. Da darf es gern noch etwas deutlicher sein. Da kehrt das Küken zehn Jahre später als stolzer Hahn zurück, um Rache zu nehmen. Er ruht nicht, ehe ein Schenkel des alten Herrn, schön dick mit Ketchup vor ihm auf dem Teller liegt. So weit, so klar. Irritierend dabei wirkt die Musik. Der Song heißt „Disco lies“ – auch so etwas, das wir schon immer ahnten. Im Gegenschnitt zum Schlachthof wird eine attraktive Sängerin im Retro-Glitzer-Look der Siebziger gezeigt. Sie klagt über oberflächliche Bekanntschaften, die sich als trügerisch herausstellen. Was sagt das? Beginnt der 42-jährige Moby nun ein melancholisches Spätwerk? Folgt nach seinen Dancefloor-Hymnen nun der Fast-Food-Blues? Erscheint ihm die Disco am Ende nur als Fleischmarkt? Mitnichten.

Moby nutzt die Gelegenheit, seine wohlfeile aber deshalb nicht weniger wahre Botschaft zu verbreiten. Sein Album, das einen Streifzug durch eine New Yorker Clubnacht darstellen soll, bleibt dagegen, wie so oft in den letzten Jahren, blutarm. Formelhafter Elektro-House, der sich von einem Leerlauf zum nächsten schleppt. Gut gemeint heißt eben noch lange nicht gut gemacht. Ralph Geisenhanslüke

Ralph Geisenhanslüke

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