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Potts

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HIT Parade: Paul Potts mit "One Chance"

Wer nichts wird, wird virtuell, sagt ein Bonmot aus der jüngeren Zeit. Aus Paul Potts wäre beinahe nichts geworden. Doch der überschuldete Handyverkäufer aus Wales hatte einen Traum: Er wollte unbedingt Opernsänger werden. Diese Woche ist er auf Platz 3 mit: "One Chance".

Potts trat als Pavarotti verkleidet bei Karaokewettbewerben und in Amateuropern auf. Er erkrankte schwer, danach hatte er einen Motorradunfall. Potts sieht nicht besonders gut aus. In der Schule wurde er gemobbt. Niemand glaubte an ihn. Solche modernen Aschenputtelmärchen sind der eigentliche Stoff, aus dem Casting-Shows gemacht sind. Bei einer solchen trat Potts letzten Sommer auf. Sie heißt „Britain’s got Talent“ und gehört zum weitverzweigten Imperium des Simon Cowell, der darin nicht nur als Juror den bösen Bohlen macht, sondern dessen Produktionsfirma die Shows auch herstellt und die Gewinner wie Leona Lewis weltweit vermarktet.

Zeitungsberichten zufolge fährt er mit gerade mal 14 Mitarbeitern 40 Prozent des Gewinns von Sony BMG in Großbritannien ein. Seit einem Jahr kann man bei Youtube ein Video sehen, das zeigt, wie die Jury bei Potts erstem Auftritt zunächst angewidert die Augen verdreht und dann von der Macht seiner Stimme zu Tränen gerührt wird. Potts gewann den Wettbewerb mit Puccinis Arie „Nessun Dorma“. Zwei Millionen Exemplare seines Albums „One Chance“ wurden weltweit verkauft. Nur in Deutschland wollte es nicht so richtig klappen. Erst seit die Telekom dieses Video für ihre Werbung verwendet, schenkt man Potts auch diesseits des Kanals Gehör.

Der Spot zeigt Leute, die über Laptops und Handys „Nessun Dorma“ hören und sehen. Sie wirken wie vom Donner gerührt. Viel mehr als diese wenigen Gänsehautsekunden haben die meisten Menschen von Potts bislang nicht gehört. Der Spot suggeriert, Potts’ Traum habe sich über die große Wunschmaschine Internet verwirklicht, noch besser: über die Datendienste der Telekom, der die Gedankenfreiheit in letzter Zeit ja nicht unbedingt am Herzen zu liegen schien. Bleibt die Frage, was grausiger ist: die Verhackstückung von dreiminütigen Klassikschnipseln im Download-Markt? Oder die Vorstellung, dass Menschen Arien übers Telefon hören? Immerhin: Die Liebe zur Oper fesselt die Deutschen derzeit so sehr, dass „Nessun Dorma“ gleich noch ein zweites Mal in den Single-Charts auftaucht: auf Platz 60, gesungen von Pavarotti. Ralph Geisenhanslüke

Ralph Geisenhanslüke

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