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© dpa

Hitparade: Michael Jackson: Abgemeldet, tot, auferstanden

Die Presswerke kommen nicht nach mit Jacko-Singles und -Alben. Diese Woche nimmt der verstorbene "King of Pop" gleich 33 Plätze in den Charts ein.

In den letzten zehn Jahren wollte kaum jemand die Musik von Michael Jackson hören. Abgemeldet. Tot, der Mann. Aber – Bamm – kaum ist er wirklich tot, kommen die Presswerke gar nicht nach, so groß ist die Nachfrage – und zwar nicht etwa nur nach einem der sechs zu Lebzeiten veröffentlichten Soloalben, sondern nach allen. 24 Singles und neun LPs sind in den Charts und machen beinahe 60 Prozent aller Verkäufe aus. Rekord!

Je stärker sich Jackson zuletzt in den wächsernen Zombie verwandelte, dessen Körper nur noch dazu da zu sein schien, dem Ruhm Gestalt zu geben, desto rätselhafter wurde er. Die Musik soll jetzt ,erklären’, was den Menschen hinter der Maske ausgemacht hat. Und Sony Music hat schnell reagiert. Schon vor Jacksons Tod war „King of Pop“ erschienen, eine bündige Best-of-Edition. Nun folgen mit „Number Ones“, „The Essential Hits“ und „The Collection“ weitere Kanonisierungen. Es sind immer dieselben bekannten Songs, doch aus dem Zusammenhang gerissen. „Beat It“ kam nach „Thriller“ und nicht davor wie jetzt auf der „King of Pop“-Anthologie, zähmte „Beat It“ doch die Geister, die das Dämonen-Stück „Thriller“ heraufbeschworen hatte. Man kann Problemen nicht aus dem Weg gehen, sagt „Beat It“ und versteht sich als ein Plädoyer für Friedfertigkeit. Aber dass Gewalt vielleicht doch ganz okay wäre, kann der Song auch nicht verhehlen. Und genau aus diesem Grund folgte in der Originaldramaturgie auf „Beat It“ das langsamere tragische „Billy Jean“ – als moralisches Korrektiv. Darin geht es um einen Kerl, dem ein Kind untergeschoben werden soll, bei dessen Anblick ihm das Herz bricht. Für dieses Problem findet Jackson keine Lösung. Seine hohe Kopfstimme schaltet auf Stress-Modus. Äußerste Anspannung. Er hat sich in die Wehrlosigkeit hineinmanövriert. Da will er nicht bleiben. Also sagt er: „I’m bad.“

Dass Best-of-Sammlungen das emotionale Muster von Songs umgruppieren, ist unvermeidlich. Trotzdem könnte „King of Pop“ für viele dieselbe Bedeutung bekommen, die das „blaue“ und das „rote“ Album für die Rezeption der Beatles hatten. Als der erste Fehler, den man in seiner Ahnungslosigkeit macht – aber nicht wiederholen will. Kai Müller

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