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Unter coolen Rockfans und –kritikern und eben auch einer ganzen Menge Dylan-Verehrer gilt es als besonders cool, Mark Knopfler als uncool zu verachten.

© dapd

In der O2 World: Bob Dylan und Mark Knopfler

In der O2-World teilt sich das Publikum in zwei Lager: hier die Knopfleristen, dort die Dylanologen. Als "historisches Gipfeltreffen der Superstars" wurde das gemeinsame Konzert angekündigt.

Als "absolute Sternstunde der populären Kultur", als "wichtigstes und außergewöhnlichstes Konzertereignis der letzten Jahrzehnte" kündigte der Veranstalter vollmundig "das Aufeinandertreffen" von Bob Dylan und Mark Knopfler zu einer gemeinsamen Tournee an.

Ein beträchtlicher Teil der 11.000 Besucher in der ausverkauften O2 World scheint allerdings anderer Meinung zu sein. So werden auch gleich die deutlichen Gegensätze zwischen den Lagern klar: hier die Knopfleristen, dort die Dylanologen.

Unter coolen Rockfans und –kritikern und eben auch einer ganzen Menge Dylan-Verehrer gilt es als besonders cool, Mark Knopfler als uncool zu verachten, als zu glatt, gefällig, gefühllos und oberflächlich. Während sich die Liebhaber klarer knopflerischer Wohlklänge oft über Bob Dylan mokieren mit den üblichen Abfälligkeiten der Dylan-Verächter: er könne nicht singen, nicht Gitarre spielen, das schiefe Gequietsche auf der Mundharmonika sei unerträglich, sowie eigentlich der ganze Dylan eine Zumutung sei. So weit die Fronten beim "Musikerlebnis der Superlative". Natürlich gibt es auch noch die dazwischen, die für keine Seite "Partei ergreifen" wollen. Jene, die beiden Musikern in ihrer unterschiedlichen Art etwas abgewinnen können, und denen dieses ganze Theater um die ideologischen Gegensätze albern und kindisch erscheint.

Mit demonstrativem Gähnen und regloser Mimik, einem Ausdruck von: hach, was sind wir wahren Kenner und Durchblicker doch gelangweilt, attitüdeln sich etliche Konzertbesucher durch den etwa 70-minütigen Auftritt von Mark Knopfler und seiner exquisiten Band. Oder sie verlassen gleich die Arena und gehen eine rauchen.

Dabei ist Knopfler sehr gut in Form, spielt brillant Gitarre – akustisch und elektrisch, mit seinem unverkennbaren flüssigen, schwirrenden Sound. Wobei er interessanterweise neuerdings überwiegend Les-Paul-Gitarren benutzt, und die rote Stratocaster – einst sein Markenzeichen – nur noch selten zum Einsatz kommt. Seine Anschlagtechnik der rechten Hand mit Daumen und Fingern ist nach wie vor unschlagbar.

Wie Bob Dylan schöpft auch Knopfler aus einem ähnlichen melodischen Fundus keltischer Folk-Songs und amerikanischer Wurzeligkeit. Von Blues bis Bluegrass. Wobei ihn hervorragende Musiker vielseitig und einfühlsam begleiten, der zurückhaltend stillen Musik angemessen vorwiegend auf akustischen Folk-Instrumenten: Gitarre, Mandoline, Fiddle, Bouzouki, Flöten, Akkordeon. Stehende Ovationen, frenetischer Jubel für Mark Knopfler und einen überzeugenden Auftritt.

Kurze Zeit darauf ist Knopfler schon wieder auf der Bühne, als weiterer Gitarrist in der Band von Bob Dylan. Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten, Knopfler hatte schon 1979 auf Dylans 19. Studioalbum "Slow Train Coming" Gitarre gespielt, und "Infidels" (1983) hatte er darüber hinaus auch gemeinsam mit Dylan produziert.

Jetzt stehen sie wieder ganz dicht zusammen – Dylan im schicken schwarzen Ausgehanzug mit weißen Lampassen an den Hosennähten und mit großem weißem Musketierhut hinter der Orgel, Knopfler hinter der Les-Paul. Unmittelbar stehen sie sich gegenüber, sehen sich an, und scheinen eine Menge Spaß zu haben.

Wie ihn auch Dylans grandiose Band zu haben scheint, wie selten vorher. In ihren beigefarbenen Einheitsanzügen sehen sie aus wie saubere Tanzmucker bei einer Autohauseröffnung. Doch ihr Sound ist grandioser dreckiger Rhythm 'n' Blues.

"How your head feels under somethin’ like that, under your brand new leopard-skin pill-box hat", knurrt Bob schnodderig und schotterig. Seine Stimme, die inzwischen nur noch einen Tonumfang von einer halben Oktave haben dürfte, klingt gefühlvoller denn je, besser noch als vor ein paar Monaten bei einem umwerfenden Sommerkonzert im Hamburger Stadtpark.

"It's All Over Now, Baby Blue", singt Bob überwältigend, mit tollem Phrasing, fast ohne Stimme, und drückt so viel Tiefe aus damit, so viel Seele, dass man heulen könnte. Und er spielt eine elektrische Stratocaster in der fabelhaften Gitarristen-Reihe Stu Kimball, Charlie Sexton, Mark Knopfler. Lange hat er nicht mehr so gut Gitarre gespielt. Ohne all die schrägen Misstöne, die er uns in den letzten Jahrzehnten gelegentlich zugemutet hat. "I used to care but things have changed…" Dylan macht den starken Eindruck als würde er sich inzwischen mehr um bestimmte Dinge kümmern denn je. Als hätten er und seine Band nach vielen Jahren einmal wieder gemeinsam geprobt und Feinheiten der Arrangements festgelegt.

Alles, was früher immer etwas schluderig und vielleicht gelegentlich ein bisschen zu locker war, ist heute exakt und genau auf den Punkt. Einsätze, Soli, Schlüsse. Dann wird es zwischen den Songs jedes Mal dunkel auf der Bühne, kurze Pause, während Musiker die Instrumente stimmen, sich sammeln, einstimmen auf den nächsten Song. "Mississippi". Lassen sich sonst bei jedem Dylan-Konzert zwei, drei Höhepunkte herauspicken, ist diesmal fast jeder einzelne Song ein Highlight.

Wobei Dylan seiner Band neuerdings offenbar mehr Freiheiten, Mitsprache und Mitspielrecht einräumt, und die tollen Gitarristen endlich frei aufspielen und zeigen können, was sie wirklich in sich haben. Charlie Sexton swingt und rockabillyt grandios auf einer weißen Gretsch zu "Summer Days", spielt ein feines Solo zu "Desolation Row", dessen rätselhaft schöner Text wiederum exquisit von Dylan gesungen wird.

Was allerdings einigen Mark-Knopfler-Fans dann doch endgültig zu viel des Guten zu sein scheint. Nachdem sie feststellen mussten, dass ihr Held, der nach vier Songs unauffällig von der Bühne gehuscht war, nicht mehr wiederkommt, verlassen auch viele von ihnen reihenweise das Auditorium. Fast sind sie ein bisschen zu bedauern, dass sie nicht mitbekommen, dass sie vielleicht eines der besten und aufregendsten Dylan-Konzerte der letzten Jahrzehnte verschmäht haben. Und dass zwischen all den Höhepunkten mit dem neueren "Nettie Moore" und dem älteren "Ballad Of A Thin Man" doch noch einmal zwei Songs alles Überragende überragen konnten.

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