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© EMI

Interview: Robbie Williams: „Ich bin ein unsicherer Typ“

Robbie Williams spricht im Interview über Depressionen, Jesus Christus und sein neues Album „Reality killed the Video Star“.

Wie geht es Ihnen, Mister Williams?



Komisch. Ich war drei Jahre lang weg, und jetzt bin ich plötzlich wieder ein Popstar. Nach einer Weile vergisst man, wer man einmal war, was man getan hat und wem die Arbeit etwas bedeutete. Aber ich bin froh, dass alle sehr nett zu mir sind und sich freuen, mich zu sehen.

Das überrascht Sie?

Es tut mir leid, dass ich vor meinem Comeback so ein negatives Szenario in meinem Kopf aufgebaut hatte. Alles Folge meiner Unsicherheit. Es gibt den Song „Morning Sun“ auf meinem neuen Album. Davon abgesehen, dass er eine Hommage an Michael Jackson ist, ist es ein autobiografischer Song. Es heißt darin (Williams singt): „You always wanted more than life, but now you don’t have the appetite, get a message to the troubadour, the world don’t love you anymore“. Der Text beschreibt wie ich mich in den letzten drei Jahren gefühlt habe. Also, es überrascht mich, dass sich meine negativen Fantasien nicht verwirklicht haben. Mehr noch: Ich bin schockiert und zugleich glücklich, dass sich das schlechte Image, das ich mir aufgebaut hatte, nicht auswirkt.

Dafür sehen Sie momentan auch zu gut aus. Eine Folge Ihrer Diäten?

Ich trage schwarze Klamotten, das hilft. So viele Diäten, wie die Leute glauben, habe ich gar nicht ausprobiert. Eine Zeit lang habe ich Kohlenhydrate weggelassen, aber das brachte gar nichts. Sobald ich wieder Kohlenhydrate zu mir nahm, waren auch die Kilos wieder da. Verdammt, ich bin einfach zu faul, jeden Tag etwas für meinen Körper zu tun. Also habe ich mir gesagt: Robbie, du musst die „guten“ Sachen weglassen, was du am liebsten magst, also Chips und Schokolade, Donuts und Weißbrot. Aber eines ist sicher: Wenn der ganze Rummel hier vorbei ist, habe ich ein Date mit meinem Sofa und einer Tüte Donuts!

Ist Ihre erste Single „Bodies“ von dem Kampf mit dem Körper inspiriert?

„Bodies“ ist inspiriert von unser aller Kampf mit dem eigenen Körper und dem gesellschaftlich definierten Idealgewicht. Der Song handelt vor allem von der körperlichen Veränderung und wie unglücklich die meisten von uns darüber sind. Ich habe mich aber auch von einer Dokumentationsreihe namens „Zeitgeist“ anregen lassen. „Der Gott, der nicht da war“ hieß die Folge, die ich eines Nachts sah und in der behauptet wurde, dass die Bibel 400 Jahre nach Jesus’ Tod geschrieben wurde. Von irgendwelchen Italienern in Italien. Stellen Sie sich vor, man würde heute ein Buch über jemanden schreiben, der vor 400 Jahren lebte. Würde das die historischen Tatsachen nicht ungenau wiedergeben, falsch übersetzen und manche ganz verloren gehen lassen? Anderes hingegen würde frei erfunden werden. Am nächsten Tag schrieb ich die Textzeile „Jesus didn’t die for you, what are you on?“ und hatte dabei George W. Bush im Kopf. Ich bin katholisch erzogen und es hat mich damals irritiert, dass Bush behauptete, er würde im Namen meines Jesus’ in den Irak ziehen. Wie konnte dieser Kerl eine Hotline zu Jesus haben und ich nicht? Mein Jesus würde jedenfalls nicht sagen: Zieh in den Krieg.

Wenn Sie singen „Jesus didn’t die for you“, ist das sehr provokant ...

Ja, vielen Dank!

... aber auch blasphemisch. Immerhin ist Jesus für Sie und mich gestorben, nicht nur für George Bush?

Ja, es ist blasphemisch, aber glücklicherweise leben wir in einer Welt, in der man so etwas sagen darf. Das bedeutet allerdings nicht, ich würde nicht daran glauben, dass Jesus für unsere Sünden und für mich gestorben ist!

Woher stammt der Titel ihres Albums „Reality killed the Video Star“, das nächste Woche erscheint.

Ich hatte mal einen Song mit demselben Titel, über meine erste große Liebe. Sie war damals 15 Jahre alt, ich war 16. Wir haben es später noch mal miteinander versucht, in unseren 30ern. Wir sind um die Welt gereist, haben alles probiert, aber es hat nicht mehr geklappt. Es war sehr traurig. Ich schrieb „Reality killed the Video Star“ über die Realität desjenigen, der ich geworden war – im Gegensatz zu demjenigen der ich war, als wir uns liebten. Den Song habe ich irgendwann verloren.

Traurig muss für Sie auch die Zeit in Amerika gewesen sein. Obwohl Sie alles versuchten, sind Sie dort nie angekommen. Hat Sie der Frust nach England zurückgetrieben?

Ich wurde sehr nostalgisch in Los Angeles und langweilte mich sehr. Außerdem wurde es auf einmal ernst mit meiner Freundin ...

... der 30-jährigen amerikanischen Fernsehschauspielerin Ayda Field.

Ich entwickelte die romantische Vorstellung, dass ich nur wegen ihr nach Amerika gekommen war. Als edler Ritter, um die Liebe meines Lebens zu finden und sie zurückzubringen, nach Hause, in mein Königreich. Als ich sie dann das erste Mal mitnahm, waren die Leute so warmherzig zu uns, dass ich begriff, was mir in LA fehlte: Soul! Die Menschen in England haben einfach Seele, wohingegen es in LA sonnig ist und einfach, dort zu leben, aber eben auch seelenlos. Doch jetzt schauen Sie sich mal das Wetter an. Fuck! Drei Wochen, nachdem wir nach England gezogen waren, hat es nur geregnet: Seele kommt mit schlechtem Wetter!

Sie nennen „Reality Killed The Video Star“ ein überaus wichtiges Album, das über den weiteren Verlauf Ihrer Karriere entscheidet. Entweder werden Ihre Vorstellungen von Musik jetzt akzeptiert oder nicht.

Na klar, Mann! Ich lade mir tonnenweise Druck auf. Ich habe immer noch die alte Unsicherheit, die aus der Trennung von Take That stammt. Die Tatsache, dass es plötzlich einfach vorbei sein könnte. Dieses Album markiert nun den Wendepunkt. Es wird darüber entscheiden, ob ich zukünftig im Flugzeug nach links oder nach rechts gehe. First Class oder Economy. Aber ich glaube, im Gegensatz zu früher würde ich heute auch in der Economy Class klarkommen.

Sie glauben doch selbst nicht, dass Sie irgendwann einmal in der Economy Class fliegen.

Die Dinge laufen bislang sehr gut. „Bodies“ war Nr. 1 in Deutschland, in England immerhin Nr. 2. Aber ob sich „Reality Killed The Video Star“ millionenfach verkaufen wird, weiß ich nicht. Aber die vielen positiven Reaktionen auf meine Arbeit reichen mir schon. Und noch was: Es wird ein neues Bild von Robbie Williams geben, und diesmal wird es ein nettes und positives sein!

Das Gespräch führte MC Lücke.

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