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Ganz in schwarz, mit Zigarette: Annett Louisan gibt mal wieder die Verruchte.

© Rakete

Konzert im Tempodrom: Annett Louisan, das blonde Früchtchen

Seit ihrem ersten Hit "Ich will doch nur spielen" ist Annett Louisan erwachsen geworden: Stilsicher und immer noch ein bisschen verrucht interpretierte die Blondine bekannte Jazz- und Blues-Klassiker und ließ sich von nichts und niemandem aus dem Takt bringen.

Etwas verwunderlich ist es schon, was ein Berliner Stadtmagazin in der Vorankündigung für das Konzert von Annett Louisan als "Dresscode" vorgab: "Fetish, Naked und mit Handtasche". Das Publikum im ausverkauften, bestuhlten Tempodrom ist dann auffallend unauffällig: gesetzt, gediegen, überwiegend angegraut. Niemand in Gummi oder Leder, keiner nackt, und die Handtaschen gehören meist zu älteren, weißhaarigen Damen.

Vor sieben Jahren begann Annett Louisan Furore zu machen, mit einem hübschen Song, in dem sie als verführerische Lolita dem Jungen, der sich unsterblich in sie verliebt hatte, in luderiger Unschuld entgegenhaucht: war doch alles nicht ernst gemeint. "Ich will doch nur spielen … uh-huuh".

Das blondierte Früchtchen von einst wirkt heute etwas erwachsener und gereifter. Dunkel und ganz in Schwarz, von den Haar- bis in die gefährlich hohen Highheel-Spitzen, auf denen sie sich inzwischen so viel sicherer bewegt als noch auf ihrer letzten Tournee vor zwei Jahren, singt sie: "In meiner Mitte, da wo ich bei mir bin". Immer noch hauchig rauchzart, doch nicht mehr ganz so kleinmädchenhaft, was der inzwischen 34-jährigen Sängerin hörbar gut tut. Wie auch die Songs vom neuen Album, die ihr der brillante Berliner Singer/Songwriter Danny Dziuk mit feinen poetischen Texten, leisem Humor, tollen Melodien und viel Gefühl auf eine reifere Persönlichkeit zukomponiert hat.

Die lustig zackige Polka "Pärchenallergie" wird vom schlagerbeseelten Publikum fröhlich zerklatscht. Wie dann auch all die anderen Lieder, die etwas flotter daherkommen, die lateinamerikanischen Rhythmen, karibischer Steel-Drum-Calypso oder melodisches Motown-Supremes-Feel. Immer buffig auf den ersten Taktschlag gepatscht. Und auch da noch daneben, dass es ein heilloses Durcheinandergeklatsche wird, und man die vorzüglichen Musiker an Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboards, gelegentlichem Cello, Akkordeon oder Mundharmonika wirklich bewundern muss: wie sie im unrhythmischen Chaos, das da aus dem Auditorium zu ihnen hoch brandet, noch die Ruhe bewahren können, sich nicht durcheinander bringen lassen, immer genau auf den Punkt spielen und dabei noch sehr lässig swingen. Wie auch die Louisan zwischen allen anderen Unsicherheiten stimmlich immer gefestigt und intonationssicher bleibt.

Zum Song "Die Katze" von ihrem ersten Album "Boheme" (2004), mit ein paar netten Anleihen bei den Stray Cats und der rauchigen barbluesigkeit von Tom Waits' "Fumbling With The Blues", zündet sie sich eine Zigarette an in einer 50er-Jahre Sesselecke mit Stehlampe, Nierentischchen und Getränkewagen mit Soda-Syphon, und spielt ein bisschen mit blauem Rauch, fummelt mit dem Blues und Verruchtheit: "Miau!"

Sehr angenehm interpretiert sie Henri Mancinis "Moon River", den hübschen Song aus dem Film "Frühstück für Tiffany" von 1961. Ja, in ihrem kleinen Dorf, in dem sie aufgewachsen sei, sagt Annett Louisan, habe sie schon als Kind ein besonderes Faible entwickelt für die große Welt. So auch für die Filme Hollywoods und besonders für Audrey Hepburn. Und für Frankreich. Ihre Version des Charles-Aznavour-Liedes "Spiel Zigeuner" schrammt schwer am Schlagerhaften vorbei.

Die größte Kraft und den stärksten Ausdruck verleiht sie den herausragenden Balladen von Danny Dziuk: "Allein und beisammen" und "Würdest Du?". Und gegen Ende, nach etwa zwei Stunden, gibt sie dann doch noch mal das Luder: "Ich will doch nur spielen, uhuuh…" Gut gespielt. Gut gesungen.

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