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Konzertkritik: Faith No More: We care a little bit

Immer auch Rock-Comedy: Faith No More parodieren das Wiedergängertum des Rock. Weitergehende Antworten haben sie leider auch nicht.

Sie bestehen noch immer auf dem letzten Lacher: Faith No More, vor elf Jahren im Streit getrennt, betreten die Bühne als aus der Zeit gefallenes Rentnerorchester, in metallic-blauen bis lachsfarbenen Anzügen (sie sind Mitte 40). Als letzter humpelt Mike Patton am Stock ans Mikrofon und verzückt mit der alten Soul-Schnulze „Reunited“ von Peaches & Herb. Ein überlegener selbstironischer Kommentar zum großen Wiedergängertum, das den Rock seit dem Boom des Konzertmarktes heimsucht. Faith No More war halt immer auch Rock-Comedy. Seit den 80ern wiesen die Kalifornier dem Metal den Weg aus der selbstverschuldeten Ernsthaftigkeit. Wenn die Band '96 Aquas „Barbie Girl“ spielte, war das ein großer Lacher und eine Lockerungsübung für grimmige Rockisten. Wenn sie am Dienstag vor einer kaum halb vollen Wuhlheide Lady Gagas „Pokerface“ covert, ist das hingegen nicht mehr als die Wiederaufführung eines verblassten Witzes mit geänderten Parametern. Die Tabus sind lange gebrochen.

Patton als mephistotelischer Conférencier, der seine Fußverletzung mit drohend umhergewedeltem Krückstock in theatralen Vorteil verwandelt, ist das Kraftzentrum. Sein Gesang verweist vom satten Gebrüll in „Caffeine“ bis zum operntauglichen Vibrato beim Bee-Gees-Cover „I started a Joke“ alle Nu-Metal-Epigonen in die Schranken. Jahrelang hatte er eine Reunion ausgeschlossen und sich unter anderem mit seinem Metal-Kunst-Projekt Fantômas als kultisch verehrter Grenzgänger betätigt. Jetzt scheint er sich immerhin vertraglich gesichert zu haben, sein Pult mit Vokaleffekten mitbringen zu dürfen. Jon Hudson scheinen hingegen die Noten in den Vertrag geschrieben zu sein, sein Gitarrenspiel ist erschreckend leblos. Viel wäre gewonnen, wäre es wenigstens auf spürbare Lautstärke gemischt. Der Rest der Band rockt dafür, als wäre keine Zeit vergangen. Aber reicht das?

Den Pionieren des Crossover, den Schöpfern erhabener Hymnen wie „Epic“ und „King For A Day“, wäre durchaus eine Antwort zuzutrauen auf die Frage, welche Rolle sie in einer Popgegenwart der endgültig entfesselten Zeichen spielen möchten. Die Chance wird verspielt. Und mit dem viel zu früh abgehakten Lionel-Richie-Cover „Easy“ wohl absichtlich auch die auf naives Nostalgietheater. Es bleibt als Reunion-Motto der Refrain des '85er Rap-Stampfers „We Care A Lot“ in der Zugabe: „Es ist ein schmutziger Job, aber jemand muss ihn tun.“ Trotzdem: großer Song. Alles große Songs. Man kann immer noch die Luftgitarre rausholen und mitgrölen.

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