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Konzertkritik: Get Well Soon in der Volksbühne

Er pendelt zwischen Pop und Bildungsmusik, schüchterner Bescheidenheit und großen Posen, Babyface und tiefem Bariton: Get Well Soon trat in der Volksbühne auf - und gleich zu Anfang gab es eine Überraschung.

Der Abend beginnt mit großem Staunen und kleinem Ärgernis: Wo sind denn die Stuhlreihen im Saal der Volksbühne hin? Die sind einfach weg. Dafür gibt es zur Entspannung Vogelgezwitscher aus dem Wald von Erolzheim. Das ist das Dorf bei Biberach in Oberschwaben, aus dem Konstantin Gropper stammt.

Der Chef von Get Well Soon hat die Vögel selbst aufgenommen, hinterm Haus seiner Eltern. Damit fängt auch die neue, die zweite Platte von Get Well Soon an: "Vexations", was so viel heißt wie Ärgernisse. Die sind schnell verflogen im ausverkauften Haus, als die Vorstellung beginnt: mit einem Film, in dem ein Mädchen mit Zöpfen und roter Mütze in einen Wald geht, um Holz zu sammeln - wie auch in "Nausea", dem ersten Song des Albums, in dem es etwas märchenhaft unheimlich zugeht.

Unter tosendem Jubel betreten die Akteure die Bühne: "Get Well Soon & Grand Ensemble". Der Sound ist bombastisch: Basstuba, Posaune, Trompeten, Geigen, Cello auf der Hinterbank. Bass, Keyboards, Schlagzeug im Mittelfeld. Und vorne die Geschwister Verena und Konstantin Gropper. Sie im geblümten Retrokleid, er im grauen Anzug mit großen Karos, Weste und roter Krawatte, und mit artig gescheitelter Frisur – wie der Primus des Abiturjahrgangs, das Wunderkind aus dem Musik-Hochleistungskurs mit der kleinen Akustikgitarre.

In seinen Vortrag arbeitet er Philosophisches ein, über Seneca und die Stoa. Und pendelt zwischen Pop und Bildungsmusik, schüchterner Bescheidenheit und großen Posen, Babyface und tiefem Bariton, leichten Melodien und schwerem Schwulst. Kratzt an der Oberfläche und schrammt am Kitsch. Sehr ernst und ein bisschen freudlos. Wobei ihm die Schwester immer zur Seite steht: mit Geige und Vibraphon, Glöckchen und sirenenhaften Huh-Huhs - wie eine singende Säge.

Im Film dazu wehen weiße Wolken, wogen Wellen, rennen Rehe, schleimen Schnecken, kämpfen Hirsche – so viel Natur in den Bildern: kahle Bäume, weite Schneelandschaften, Unterwasserwelten. Oben dreht sich glitzernd die Discokugel, unten wabert Nebel und hinten wird gegeigt und geblasen. Pompös.

Konstantin Groppers schläfriger Leidensklang erinnert gelegentlich an Stuart Staples von den Tindersticks und in den wacheren Momenten an David Bowies Berliner "Heroes"-Phase. Und alles ist durchweht von einer bizarren Künstlichkeit, maskenhaftem Dandytum - früher hätte man das vielleicht als "camp" bezeichnet.

Die Band spielt makellos, der Sound ist exzellent, Groppers Stimme gut, die Songs sauber gearbeitet, die Arrangements raffiniert. Das ist ordentliches Handwerk, wie man es offenbar an der Mannheimer Pop Akademie lernen kann. Gropper hat dort ein Studium in "Popdesign" abgeschlossen als Bachelor of Arts.

Im Film ist am Ende das Mädchen vom Anfang erwachsen geworden. Melancholisch schaut sie aus dem Fenster eines fahrendes Autos. Ihr letzter Satz aus dem Off: "You must change your life!" Dazu laufen die Titel des Abspanns: "The cast in order of appearance: Konstantin Gropper, Verena Gropper ... Band, Techniker, Fahrer ..."

Die Fans in der Volksbühne rasen vor Begeisterung, heftige Ovationen: stehend – natürlich!

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