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Konzertkritik: Gisbert zu Knyphausen im Babylon Kino

Bewegend und mitreißend: Neo-Liedermacher Gisbert zu Knyphausen erobert mit charmanter Tapsigkeit die Herzen seiner Fans.

Ein Name, der nach diplomatischem Dienst klingt oder nach Bundesminister, nach Facharzt oder vielleicht noch nach albernem Kabarettisten. Doch Gisbert Wilhelm Enno Freiherr zu Innhausen und Knyphausen ist Neo-Liedermacher, neue Leuchte unter den deutschsprachigen Songschreibern, mit starker, warmer Ausstrahlung und Energie, mit der er seit seinem feinen Plattendebüt von 2008 mühelos kleine Rumpelclubs und größere Konzertsäle füllt. Ohne großen Medienrummel hat er sich mit unzähligen Auftritten in den letzten zwei Jahren peu à peu die Herzen seiner Fans erobert. Mit bewegenden Liedern, hübschen Melodien und einer Poesie in den Texten, die sich einer Sprache bedient, die angenehm unprätentiös ist und trotz ihrer melancholischen Grundstimmung niemals kitschig, posenhaft, pathetisch oder weinerlich. Gerade ist das neue Album mit dem witzig paradoxen Titel "Hurra! Hurra! So nicht." erschienen. Es steht dem Vorgänger "gisbert zu knyphausen" um nichts nach, ist vielleicht sogar noch ein bisschen besser. Für das Konzert zum "Plattengeburtstag" ist das Babylon Kino schon seit Wochen ausverkauft und der Jubel tosend, als die Band auf die Bühne kommt und Knyphausen, der dürre Schlaks mit artiger Kurzhaarfrisur und Bartflaum, in schlotteriger Hose und knittrigem, graublauem Streifenjackett über knallrotem T-Shirt. "Hey" sagt er kurz und schon singt er: "Hey, hey, alles ist okay!" Aber alles ist auch ein bisschen flatterig - wie Gisberts Hose und hibbelig wie seine Arme und Beine. Dies sei sein erstes Konzert mit Band seit November, sagt er, und das werde jetzt auch noch vom Radio mitgeschnitten – hm, da seien sie schon ein bisschen nervös. "Läuft doch super!" ruft einer der Fans aufmunternd aus dem Saal. Und er soll recht damit behalten: Die Aufregung auf der Bühne legt sich allmählich, Knyphausen wird zusehends entspannter, spielt feines Fingerpicking auf der Takamine-Akustikgitarre und singt vielleicht noch nicht ganz so entspannt wie auf der Platte, aber doch sehr bewegend. Seine Band begleitet ihn dynamisch, wie es die Songs erfordern, mit verhalten ruhigen Flirrklängen bis zu heftigem Gerocke. Mit zwei elektrischen Gitarristen, von denen einer bei Bedarf auch eine Lapsteel oder Keyboards bedient, und einem soliden grauhaarigen Bassisten im Hintergrund. Lediglich der Schlagzeuger verpoltert gelegentlich einen Wirbel oder dreht den Takt auch einfach mal um. Die andern quittieren es mit freundlich amüsiertem Grinsen. Halb so schlimm. "Morsches Holz" ist ein beeindruckender Song vom neuen Album, bei dem nicht nur der Titel an Element Of Crime erinnert, sondern auch die Harmoniefolgen und der komplette Sound. Überhaupt lässt die sanfte Traurigkeit der poetischen Texte Knyphausens, die bittersüßen Geschichten von gescheiterten Liebschaften, Eifersucht, Trauer, melancholischen Erinnerungen an vergangene Zeiten, Einsamkeit, Träumen, Hoffnungen und Ernüchterungen zwischendurch immer wieder an Sven Regener denken. "Nimm deine Schuhe mit, wenn du gehst, und deine Zweifel bitte auch!" heißt es in "Dreh dich nicht um", einem der schönsten Songs des Abends. "Die neue Platte ist etwas melancholischer geworden", sagt Knyphausen, "aber keine Angst: mir geht es gut!" Er grinst verlegen. Die Fans kichern. Vielleicht ist es diese charmante Tapsigkeit, die etwas scheue, linkische Art des Songpoeten, die die Fans, vor allem die weiblichen, so sehr für ihn und seine Musik einnehmen. Und vielleicht auch seine Art zu singen, immer ganz dicht am Mikrofon, und so auch am Ohr des Zuhörers. Mit einer wunderbaren Phrasierung, die wiederum gelegentlich an den unvergessenen Rio Reiser erinnert. Am Ende eines mitreißenden Konzertes stößt die Band mit Gisbert auf seinen einunddreißigsten Geburtstag an. Die netten Fans singen unaufgefordert: "Happy birthday, dear Gisbert!" Und er bedankt sich mit sieben Zugaben, darunter dann tatsächlich ein Lied von Element Of Crime, das wiederum so klingt als wäre es von Gisbert. "Vielen, vielen Dank" sagt er nach zwei vollen Stunden, hebt die Arme und schlakselt von der Bühne.

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